ich fand den Artikel köstlich zum Lesen.
Wo sind wir hier denn eigentlich?
Kaum outet sich ein Nichtraucher als Ex-Raucher, wird er für manche Raucher zum Feindbild. Als sei der Ex-Raucher eine Art Landesverräter.
Ich glaube nicht alle Geschichten, die in den Zeitungen stehen. Ausser im «Bieler Tagblatt». Unwahres würde man dort ganz sicher nicht drucken. Trotzdem hatte ich kurz gestutzt, als da einmal Schwarz auf Weiss zu lesen war: «In der Stadt Biel darf seit Anfang Jahr auch in Kinderhorten und Kindergärten nicht mehr geraucht werden.»
Tatsächlich? Fängt diese Diskriminierung von Rauchern und Raucherinnen nun bereits im Vorschulalter an? Dürfen wir so mit unschuldigen Kindern umgehen, die bereits wegen der Klimaerwärmung nicht mehr viel zu husten haben? Zuerst entwöhnt man sie von der Mutterbrust und dann nimmt man ihnen auch noch die Zigaretten weg. Kein Wunder, können sie sich später in der Schule nicht mehr konzentrieren.
Als Ex-Raucher ist es mir ein grosses Anliegen, dass die Raucher und Raucherinnen nicht weiterhin dermassen unverschämt diskriminiert werden. Priska, mit welcher ich früher noch ganze Festabende lang durchrauchte, bis wir uns im Rauch nicht mehr gesehen haben, hat mir die Gründe eindrücklich erklärt: «Zuerst verbieten sie uns überall das Rauchen, dann dürfen wir nirgendwo mehr unsere Autos parkieren, irgendeinmal dürfen wir nicht einmal mehr Furzen. Alles wird genormt und verboten. Sag, wo sind wir hier eigentlich? Ist das noch eine Demokratie oder bereits die Türkei?»
Ich habe zwar nicht ganz begriffen, was die Türkei (wo statistisch gesehen, pro Person am meisten geraucht wird) mit dem Nichtrauchen zu tun haben soll, trotzdem gab ich ihr in allen Punkten recht. So kann es nicht mehr weitergehen. Wo sind wir hier denn eigentlich?
Und nun hat mir gestern Jean-Pierre, welcher als Romand französische Fernsehsender sieht, erklärt, zu welchen Auswüchsen die Raucherfeindlichkeit bereits in unserem Nachbarland geführt hat. Da dort das Rauchen auch in hohen Bürohäusern verboten ist, müssen die Nikotinabhängigen vom dreissigsten Stockwerk hinunter auf die Strasse gehen, um ihrem kleinen Vergnügen frönen zu können. Ein Fernsehsender hat nun ausgerechnet, dass ein Raucher für das Rauchen einer einzigen Zigarette, mit Hin-, Rückweg und Wartezeit vor dem Lift, durchschnittlich eine halbe Stunde benötigt. «Stell dir diesen volkswirtschaftlichen Schaden wegen dem Ausfall von Arbeitszeit vor» ,regt sich Jean-Pierre auf,»und dies alles nur, weil wir Raucher wie Schwerverbrecher behandelt werden.»
«Dabei ist das Passivrauchen für uns Nichtraucher sogar gesund», versuche ich ihn aufzumuntern.
«Wie denn das?» staunt Jean-Pierre.
«Das hat ein Schweizer Wissenschaftler herausgefunden. Denn offenbar gibt es keine genauen wissenschaftlichen Untersuchungen, die beweisen können, dass Passivrauchen gesundheitsschädlich ist. Diese Behauptung wird einfach von allen Leuten solange wiederholt, bis niemand mehr daran zweifelt.»
«Ja gut», ist Jean-Pierre irritiert, «aber direkt gesundheitsfördernd wird Passivrauchen schon nicht sein.»
«Also ich bin der lebende Beweis. Seit ich mit dem Rauchen aufgehört habe und nur noch als Passivraucher unterwegs bin, geht’s mir gesundheitlich besser.»
«Dafür wirst du mit grösserer Wahrscheinlichkeit von einem Auto überfahren werden», lacht Jean-Pierre.
Hä? Weshalb fällt jetzt der mir in den Rücken? Kaum outet sich ein Nichtraucher als Ex-Raucher, wird er für manche Raucher zum Feindbild. Als sei der Ex-Raucher eine Art Landesverräter, ein Spion, der im Kalten Krieg die Farben gewechselt hat und nun die Russen unterstützt.
«Das finde ich nicht nett von dir», bin ich beleidigt.
«Was?»
«Dass ich von einem Auto überfahren werden soll.»
«Aber das ist nur ein tout petit Bonmot. Das ist doch lustig: Weil es mehr Nichtraucher als Raucher auf der Welt gibt, werden doch auch mehr Nichtraucher von Autos überfahren», versucht er mich zu besänftigen.
Zu spät: «Dafür sterbt ihr Raucher viel leichter», sage ich.
«Ist dies nun ein Bonmot von dir?»
«Non, pas du tout, das ist nur die tout petit Wahrheit.»
«Aber das ist nicht lustig.»
«Genau.»
Niklaus Baschung