Die Hagia Sophia (aus dem griechischen Ἅγια Σοφία "heilige Weisheit", türkisch Aya Sofya oder Ayasofya) oder Sophienkirche ist eine ehemalige Kirche, spätere Moschee und heute ein Museum (Ayasofya Camii Müzesi, "Hagia-Sophia-Moschee-Museum") in Istanbul. Sie wurde im 4. Jahrhundert n. Chr. erbaut und war die Hauptkirche des byzantinischen Reiches und religiöser Mittelpunkt der Orthodoxie.
Als Krönungskirche der byzantinischen Kaiser (seit 641) und Ort wichtiger historischer Geschehnisse ist die Hagia Sophia in besonderer Weise mit der Geschichte des Byzantinischen Reiches verbunden. Ihr Bau war von hoher Bedeutung für die frühe orthodoxe Christenheit und das Byzantinische Reich. Sie gilt vielen orthodoxen Christen noch heute als spezielles Heiligtum. Nach der osmanischen Eroberung wurde die Hagia Sophia Hauptmoschee der Osmanen. Gleich gegenüber dem Sultanspalast, dem Topkapı Sarayı gelegen, diente sie den osmanischen Eroberern als Vorbild der imperialen Moscheen in Istanbul und Edirne.
Die Hagia Sophia ist das letzte bedeutende Bauwerk der römischen Spätantike und zugleich das erste Beispiel einer spezifisch byzantinischen Architektur, in der die Kuppel zum prägenden Element des Kirchenbaus wurde.
Schon unter Kaiser Konstantin I., um 325, wurde mit dem Bau der ersten Kirche begonnen, zunächst vermutlich als Palastaula, vollendet wurde sie unter Constantius II.. Die Kirche hatte bis in Frühzeiten keinen Namen, sondern wurde einfach Megálē EkklēsÃā (griechisch: Μεγάλη Ἐκκλησία "Große Kirche") genannt.
Diese Kirche brannte im Juni 404 bei einem Aufstand der Anhänger des Patriarchen von Konstantinopel Johannes Chrysostomos nieder, als dieser durch Kaiserin Eudoxia abgesetzt worden war.
Von Theodosius II. am gleichen Ort wieder aufgebaut, wurde sie 532, bald nach Beginn der Herrschaft von Kaiser Justinian I., während des sogenannten Nika-Aufstands erneut niedergebrannt; kurz darauf wurde sie auf seine Anweisung neu errichtet. Hierbei scheute der Kaiser keine Kosten: 145 Tonnen Gold bezahlte Justinian für den Wiederaufbau[1]. Die Details der Baugeschichte hat vor allem Prokopios von Caesarea überliefert, der um 560 in seinem Werk De aedificiis (I,1) über die zahlreichen Bauwerke berichtete, die unter Justinians Herrschaft im Imperium Romanum errichtet wurden; das Werk entstand offenbar im Auftrag des Kaisers, der darin teils panegyrisch gelobt wird.
Bereits wenige Wochen nach der Zerstörung während des Nika-Aufstands begann der Aufbau einer neuen, mächtigeren Kirche, deren Form Justinian im Traum offenbart worden sein soll. Er wollte eine Kirche stiften, "die seit Adam nicht existierte und auch nicht mehr existieren würde", zudem wollte er allem Anschein nach die von Anicia Juliana errichtete Polyeuktoskirche übertreffen. Diese war um 520 bewusst als Abbild des salomonischen Tempels gebaut und allgemein bewundert worden. Dies scheint den Ehrgeiz Justinians angestachelt zu haben.
Die Kirche war im spätrömischen Reich seit Konstantin I. keine neben der weltlichen Ordnung bestehende eigenständige Ordnung. Gerade Justinian strebte nach einem engen "Zusammenspiel" (einer symphonia) von Staat und Kirche; ohne seine Zustimmung durfte prinzipiell keine Kirche neu errichtet oder bei Baufälligkeit instand gesetzt werden. Für die Hagia Sophia fühlte sich Justinian persönlich verantwortlich. Er soll nicht nur täglich die Baustelle besucht haben, sondern sich - nach Prokopios - auch aktiv an ihrer Planung beteiligt haben.
Zehntausend Arbeiter standen unter Befehl des Architekten Anthemios von Tralleis und des Mathematikers Isidor von Milet. Innerhalb von nur fünf Jahren wurde die Kirche fertiggestellt. Während dieser sehr kurzen Bauzeit, an der nach den Überlieferungen von Prokop 100 Meister mit je 100 Gesellen beteiligt waren, kam es wiederholt zu Rissbildungen in den Mauern. Ursache war aus heutiger Sicht vermutlich die nicht ausreichende Austrocknung des Mörtels, der deswegen nicht abbinden konnte und so verhinderte, dass die Mauern parallel zum Baufortschritt eine zunehmende Festigkeit entwickelten. Verstärkt wurde dies noch dadurch, dass zu Justinians Zeiten die Mörtelschichten fast die gleiche Stärke wie die Ziegelschichten bekamen. Justinian selbst soll dieses Problem erkannt haben und einen Rückbau der noch zu feuchten Wände angeordnet haben, als Mauereinstürze am Nord- und Südbogen drohten.
Am 27. Dezember 537 konnte der Rohbau eingeweiht werden. Der Überlieferung nach konnte der Kaiser bei der Einweihung nicht Herr über seine Erregung bleiben: Er soll mit seinem durch Pferde gezogenen Triumphwagen hineingefahren, Gott gedankt und (in Anspielung auf den Tempel in Jerusalem, der noch immer als Maßstab auch für christliche Kultbauten galt, sowie vermutlich auch unter Bezug auf die Polyeuktoskirche) laut gerufen haben:
Ruhm und Ehre dem Allerhöchsten, der mich für würdig hielt, ein solches Werk zu vollenden. Salomo, ich habe Dich übertroffen.
Die Hagia Sophia wurde in der Funktion einer Staatskirche genutzt. Hier fanden alle großen kirchlichen Handlungen unter der zeremoniellen Teilnahme des Kaisers statt.
Nur während der Besetzung Konstantinopels durch die Kreuzfahrer in den Jahren 1204 bis 1261 diente das Gotteshaus venezianischen Geistlichen als römisch-katholische Kirche, sonst war es dem orthodoxen Ritus geweiht.
Probleme mit der Kuppel [Bearbeiten]
Am 7. Mai 558 stürzte die extrem flache Kuppel bei einem Erdbeben ein, wurde aber in den folgenden Jahren 558 - 563 von Isidoros von Milet dem Jüngeren in ihrer heutigen, gegenüber dem früheren Zustand jedoch etwas veränderten Form wiederhergestellt. Isidoros, der Neffe des vorherigen Bauleiters, rundete die früher flachgeneigte Kuppel etwas stärker, um den Seitendruck dadurch abzuschwächen. Bereits am 24. Dezember 562 konnte die wiederhergestellte Kuppel eingeweiht werden.
Auch später bereitete die Kuppel Probleme: 989 und 1346 stürzte sie zumindest teilweise ein. Stützende Zusatzmauern wurden aus statischen Gründen außen an der Kirche angebracht, behindern aber den ungetrübten Blick auf den Bau. Da die Region um das Marmarameer weiterhin erdbebengefährdet ist, bestehen ernsthafte Befürchtungen für die Kuppel des Gebäudes. Die türkische Regierung hat in Zusammenarbeit mit der UNESCO eine Expertenkommission ernannt, die sich diesem Thema widmet. Die Gesellschaft für Geophysikalische Untersuchungen in Karlsruhe untersucht seit 2002 mit Hilfe der Radartechnik (2006) den aktuellen Zustand des Gebäudes (Statik und Konstruktion). Auf der Basis der hierbei erhobenen Daten sollen Vorschläge für eine Sicherung insbesondere der Kuppel gemacht werden.
Heute finden sich in der Kuppel der Hagia Sophia genau 40 Fenster, jeweils eines zwischen den tragenden Gewölbespanten aus Ziegelsteinen und Mörtel. Noch bis in die späten 1980er glaubten die meisten Historiker, dass diese Fenster nur des visuellen Effektes wegen nachträglich eingebaut wurden. Heute geht man jedoch davon aus, dass die Fenster einer Rissbildung in der Kuppel vorbeugen sollen, indem sie entstehende Risse ins Leere laufen lassen und so die weitere Ausbreitung der Risse mit möglicher Zerstörung der gesamten Kuppel verhindern. Man nimmt an, dass die Baumeister diese Zusammenhänge am Beispiel des Pantheons erkannten und aus diesem Grunde Fensteröffnungen an der besonders gefährdeten Basis der Kuppel einließen.
Wegen ihrer immensen, nahezu schwerelos über dem freien Hauptraum schwebenden Kuppel galt sie in der Spätantike als achtes Weltwunder. Ein Jahrtausend lang war sie die mit Abstand größte Kirche der Christenheit.
Als am 29. Mai 1453 die Osmanen unter Sultan Mehmed II. (Mehmed der Eroberer) die Stadt einnahmen, soll dieser bereits am Nachmittag des Tages den ersten moslemischen Gottesdienst abgehalten haben. In den folgenden Jahren wurde die Kirche zur Moschee umgewandelt. Die Glocken und der Altar wurden entfernt. Christliche Insignien wurden teilweise durch moslemische ersetzt, die Ikonen entfernt, die Mosaike innerhalb der Kirche wegen des Bilderverbotes im Islam verhüllt oder unter Putz gelegt, Kreuze gegen den Halbmond ausgetauscht. Dabei wurde das große Kuppelkreuz entfernt und zum Bau der Treppe benutzt, die in die Moschee führt. Der äußere Eindruck der Kirche wurde vor allem dadurch verändert, dass man neben dem Gebäude vier Minarette errichtete. Im Laufe der Zeit wurden immer prächtigere muslimische Ergänzungen hinzugefügt.
Auf Anregung Atatürks, des ersten Präsidenten der Republik Türkei, wurde sie in das heute bestehende Museum umgewandelt und die byzantinischen Mosaike wieder freigelegt. Der Ministerrat beschloss am 24. November 1934 die Moschee in ein Museum umzuwandeln.[3] Um den Protest von Muslimen zu mildern, wurden einige Zeit später große, arabisch beschriftete hölzerne Rundschilder aus dem 19. Jahrhundert mit den Namen Muhammads und der ersten vier Kalifen wieder im Gebäude angebracht. Man bemühte sich um die Wiederherstellung des byzantinischen Zustandes, ohne den muslimischen zerstören zu wollen.
Die Pläne dieses bedeutenden Bauwerkes und heutigen UNESCO-Weltkulturerbes werden wohl für immer verschollen bleiben. Seit Hunderten von Jahren versuchen Fachleute zu ergründen, wie es den Wissenschaftlern und Künstlern im 6. Jahrhundert gelungen war, eine frei schwebende, nahezu 56 Meter hohe Kuppel von 31 Metern Durchmesser auf nur vier Pfeilern zu errichten. Berücksichtigt man die in der Spätantike verfügbaren technischen Möglichkeiten, so gilt sie noch heute für viele Fachleute als eine der kühnsten Konstruktionen von Menschenhand. "Das entscheidende Erlebnis beim Eintritt durch die Kaiserpforte in den Hauptraum, der sich sogleich in voller Weite und Höhe bis zum Scheitel der riesigen Kuppel frei überschaubar darbietet, ist die Unmöglichkeit, ein eindeutiges Verhältnis zu den Dimensionen und eine gültige Bestimmung der Proportionen zu finden. Dieses von den Erbauern beabsichtigte Phänomen ergibt sich aus der räumlichen Struktur, der scheinbaren Schwerelosigkeit der Kuppel, und der verwirrenden Fülle direkter und indirekter Lichtführung" schrieb Marco Polo.
In der Islamischen Welt gibt es zum Kuppelbau der Hagia Sophia eine Sage. Gemäß dieser, suchten die Erbauer der Hagia Sophia als Akt der Verzweiflung nach jeder erdenklichen Methode um die Kuppel zum halten zu bringen. Da die Baumeister von einem Mann namens Mohammed aus dem Raum Mekka und Medina gehört hatten, der Prophetische Wunder vollbringe, wurde eine Gesandtschaft zu ihm geschickt. Man war der Auffassung, dass vielleicht dieser Mann einen Rat für den Bau der Kuppel hätte, wenn er schon gewisse Wunder vollbringen könnte. Als die Gesandtschaft bei Mohammed, dem Propheten der Muslime angelangt waren, schilderten sie ihm ihr Problem. Er bat die Gesandten darum, ihm eine Hand voll Sand zu bringen, segnete diesen Sand und sagte den Gesandten, dass dieser Sand in den Mörtel der Kuppel beigemengt werden soll. Die Gesandten kehrten zurück und taten wie ihnen geheissen und die Kuppel hielt. Die damaligen Anhänger des Propheten Mohammed nahmen diese Geste mit Befremdung war, da der Prophet der Muslime den Bau einer christlichen Kirche unterstützte. Als sie nach dem Hintergrund seiner Geste fragten, erklärte er ihnen, dass diese Kirche eines Tages den Muslimen als Gebetsstätte dienen werde und dies der Grund für seine Hilfe war. Diese Sage der islamischen Welt ist historisch natürlich nicht belegt, sie dient der Identitätsfindung. Die Kuppel wurde 562 fertiggestellt, das Wirken Mohammeds lag Jahrzehnte später
Die Hagia Sophia ist ein grundlegendes Modell für spätere religiöse Bauwerke geworden. Sowohl in der christlichen wie der islamischen Kunst finden sich mehr oder weniger gelungene Kopien des Bauschemas der Hagia Sophia. Eine der ersten Kirchen, die der Hagia Sophia nachempfunden wurde und heute noch existiert, ist die nach der Hagia Sophia benannten Sophienkathedrale von Kiew (1036 erbaut), welche die Staatskirche des orthodoxen Kiewer Rus war und als Mutter aller russischen Kirchen gilt. Bedeutend sind insbesondere auch die imperialen Moscheen des 16. Jahrhundert in Istanbul (Beyazid II.-Moschee), die im Zeitalter von Sultan Süleyman dem Prächtigen durch den Hofarchitekten Sinan in Istanbul (Şehzade-Moschee, Süleymaniye-Moschee) und Edirne (Selimiye-Moschee) aber auch noch im 17. Jahrhundert (Sultan-Ahmed-Moschee) eine beständige Auseinandersetzung mit der Kunst des justinianschen Zeitalters und insbesondere dem Raumschema der Hagia Sophia folgen.
Erst spät wurde die Form der Hagia Sophia auch bei den orthodoxen Christen wiederaufgegriffen. Das ambitionierteste Bauwerk ist dabei die Kathedrale Hl. Sava in Belgrad aus dem 20. Jahrhundert, die den Zentralbau der Hagia Sophia aufgreift und selbst in den Maßen dem Vorbild getreulich folgt.
QuelleEintritt: 20YTL