Sie ist blau, viereckig und für viele Männer der Ausweg aus der Impotenz: die Viagrapille. Weil sie teuer und der Kauf in der Nachbarapotheke peinlich ist, kaufen manche sie im Internet oder Ausland. Auch Männer aus dem Hinterland nutzen diese Quellen offenbar häufig - der Gladenbacher Urologe Dr. Heinz Kuhl zählte dieses Jahr schon drei Fälle, in denen Patienten Viagra im Ausland gekauft haben. Eine Gefahr für die Gesundheit sei das, meint er. Denn diese Pillen seien oft gefälscht.
"Die legen mir hier die blauen Dinger auf den Tisch und sagen: ,Die wirken nicht?", berichtet Kuhl im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Urologe ist der einzige seiner Zunft im südlichen Hinterland, sein Einzugsgebiet deshalb groß.
Den Angaben der Patienten zufolge wurden die Pillen im Türkei-Urlaub, in Ägypten oder Thailand gekauft. Meist von Männern über 50."Dann wirken sie eben einfach nicht, könnte man denken", so Kuhl. Doch gefälschte Medikamente bergen ihm zufolge Gefahren. Bei einem Patienten sei der Blutdruck über Nacht auf 250 zu 140 hochgeschnellt, sagt der Urologe. Normal wäre etwa 120 zu 80. Nicht umsonst sei Viagra wegen seiner Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System verschreibungspflichtig.
Als im Dezember 2007 wieder einmal ein Patient mit Viagrapillen aus dem Ausland in Kuhls Praxis kam, gab er in Zusammenarbeit mit dem Gladenbacher Apotheker Alexander Stauß von der Blankenstein Apotheke eine Laboranalyse in Auftrag. Zu untersuchen war eine blaue Pille, die in Ägypten gekauft wurde. "Da kosten 25 Tabletten 70 Euro", sagt Alexander Stauß. In Deutschland sind für den gleichen Preis nur etwa vier Pillen zu haben.
Überprüft wurde die bis ins kleinste Detail kopierte Tablette vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker im südhessischen Eschborn. Prägung, Farbe und Form waren dem Original gleich. Doch das Labor fand kleinste Unterschiede in Größe und Gewicht - außerdem große Unterschiede bei den Inhaltsstoffen. Ein Mann hat sogar 300 Viagra-Tabletten aus dem Urlaub mitgebrachtHauptwirkstoff der Viagra-Tabletten ist Sildenafil. Das konnte das Labor in der Probe zwar nachweisen, allerdings nur "etwa 60 Prozent der deklarierten Menge", heißt es in dem entsprechenden Schreiben. Und weiter: "Wir bitten, dem Überbringer der Proben mitzuteilen, dass Sildenafil der Verschreibungspflicht unterliegt, da bei der Anwendung schwerwiegende Nebenwirkungen auf das Herz-Kreislauf-System sowie Sehstörungen auftreten können."
Viel schlimmer ist nach Kuhls Ansicht, dass unklar ist, woraus die restlichen 40 Prozent der Tablette bestehen. In manchen Fällen sei dies harmloser Milchzucker, meint Apotheker Alexander Stauß. Doch es könnten auch Giftstoffe sein. Ein Apotheker-Fachmagazin berichtete in seiner jüngsten Ausgabe über einen Fall in Nigeria, bei dem ein Hustensaft angeblich mit giftigem Lösungsmittel gestreckt wurde.
"Es ist grob fahrlässig, so mit seinem Leben umzugehen", sagt Apotheker Stauß über den Kauf von Billig-Medikamenten im Ausland oder Internet. Online würden in Werbemails mit Betreffzeilen wie "Doping für Ihr bestes Stück" ebenso fragwürdige Medikamentenangebote gemacht. In einem Beispiel verkauft ein Internethändler 90 Viagra-Tabletten für 136,91 Euro - die Summe, die regulär für etwa acht Pillen gezahlt werden müsste.
Der günstige Preis scheint einigen Männern weitaus wichtiger zu sein, als die Sicherheit über die Inhaltsstoffe. Seit dem vergangenen Jahr seien die Fälle von gekauftem Billig-Viagra in seiner Praxis gestiegen, sagt Urologe Dr. Kuhl. Ein Patient aus dem südlichen Hinterland hat nach Informationen dieser Zeitung sogar gleich 300 Tabletten aus dem Ausland mitgebracht.
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