Die Deutschen sind Beschwerde-Weltmeister. In kaum einem anderen Land müssen sich die Gerichte so häufig mit Urlauberklagen befassen wie hier. Branchenweit ziehen etwa 15 bis 20 Prozent aller Pauschalreisen eine Beschwerde beim Veranstalter nach sich. Ein Teil landet später vor Gericht - und dabei kommt so manches Absurde zutage.
Meist bemängeln die Deutschen im Urlaub Bagatellen wie lauwarmes Essen, zu viel Lärm im Hotel oder ein zu kleines Zimmer.
"Die Deutschen sind pingeliger als beispielsweise die Engländer", sagt Ronald Schmid, Professor für Reiserecht an der Universität Dresden. "Die gehen schon wegen kleinster Unannehmlichkeiten auf die Palme. Etwas mehr Gelassenheit stünde manchen gut zu Gesicht." Wenn ein Veranstalter nicht gleich die Entschädigung rausrücke oder sie dem Gast zu niedrig erscheine, sei der mit der Klage schnell zur Hand. "Meist kommt ja ohnehin die Rechtsschutzversicherung auf." Mehrere hunderttausend Reiserechtsfälle kommen bei den Richtern jedes Jahr auf den Tisch. Allerdings wird gerade mal 20 Prozent aller Klagen stattgegeben, weil die Reiseunternehmen viele Fälle schon vorab durch Kulanz regeln. Hat doch einmal ein Urlauber vor dem Richter Erfolg, fällt die Entschädigung gering aus. "Im Durchschnitt betragen die Minderungssätze zehn bis 15 Prozent des Reisepreises", sagt Schmid. "Das können mal 60, mal 100 Euro sein. Mehr nur selten."
In einigen Fällen raten Reiserechtsexperten dennoch zur Klage, nämlich dann, wenn im Katalog versprochene Leistungen fehlen oder gravierende Umstände den Urlaub erheblich beeinträchtigen.
Um herauszufinden, wie hoch die Kompensation ausfällt, ziehen Urlauber gerne Entschädigungskataloge wie die Frankfurter Tabelle, den Mainzer Minderungsspiegel oder die Kemptener Reisemängeltabelle zu Rate. Darin kann der Urlauber lesen, daß er bei Wanzen im Bett zehn Prozent des Reisepreises zurückfordern kann, bei unzureichendem Essen zehn bis zu 15 Prozent.
Fachleute warnen allerdings vor, diese Tabellen überzubewertung: "Sie sind nicht repräsentativ, können nur Richtschnur sein. Die Sachlage ist bei ähnlichen Fällen oft unterschiedlich. Außerdem kalkulieren viele Kläger den Ermessensspielraum der Richter nicht ein", sagt Schmid. "Was in Frankfurt entschieden wird, muß in München längst nicht genauso gesehen werden." Die Übersichten verleiten sogar regelrecht zu unsinnigen Klagen.