Neukirchen-Vluyn.
Sabine Väth und Barbara Zander haben ein orientalisches Badehaus in Neukirchen-Vluyn eröffnet. Das einzige in der Region. Eine Insel der Ruhe, mitten im Gewerbegebiet, neben Fastfood-Drive-in und Baustoff-Zubehör.
Die Zeit bleibt stehen, wenn der Schlüssel sich im Spind dreht - und eine freundliche sportliche Dame, alternativ auch ein freundlicher, sportlicher Herr, sagt: "Die Handtücher bitte, die trage doch ich." Das Licht ist leicht gedämpft, sanfte Musik tanzt behutsam mit schaumigen Duftkompositionen Walzer durch den Raum - ein paar Meter weiter donnern die Lkw durchs Gewerbegebiet und Mohamed fragt: "Ist das Wasser so angenehm?"
Minztee im Foyer
Sabine Väth hatte einen Traum, hat eine Freundin, die sich begeistern ließ, einen Vermieter, der die ungewöhnlichsten Umbaumaßnahmen tolerierte, eine Bank, die sich wunderte, aber nicht weigerte und deshalb hat Neukirchen-Vluyn nun ein Hamam, ein orientalisches Badehaus - neben Fastfood-Drive-Inn und Baustoffzubehör.
Die Palmen vor der Eingangstüre sind noch fest eingewickelt - zum Schutz vor der niederrheinischen Kälte. Auf dem Stövchen im Foyer, vor der Pendeltür, die das Märchen von tausendundeiner Nacht vor dem Alltag schützt, steht eine Kanne mit frischem marokkanischen Minztee. "Es ist mein Traum. Ich habe mir meinen Traum erfüllt", sagt Sabine Väth. "Ich werde 50, wenn ich es jetzt nicht mache, wann dann?"
Nun, nicht jeder, der die fünfte Null mit sich herumträgt, wird Existenzgründer. Und dann noch so etwas, ein orientalisches Badehaus, und das als Frau... Die Chefin grinst. "Lange schon habe ich die Pläne für ein eigenes Hamam in der Schublade - aber jetzt hat irgendwie alles gepasst." Die Liebe zum Dampfbaden und Schaumgenießen teilt die Neukirchen-Vluynerin mit den alten Byzantinern. Schon die wussten, wie schön Entspannung sein kann. "Hamam ist ja nicht nur die Reinigung des Körpers von Staub und Sand - es reinigt auch die Seele."
Dampfbaden, warme Steine, auf denen der ermattete Körper ruht, Schaummassagen - was den Wüstenwanderer nach endlosen Märschen wieder fit machen sollte für die nächste Karawanentour spült dem Hamamgast heute den Alltagsstress von der Seele. Im September haben Sabine Väth, hauptberuflich nach wie vor Buchhalterin, und Barbara Zander, hauptberuflich nach wie vor Krankengymnastin, ihr Hamam Zavaé eröffnet - und die Idee kam so gut an, dass die beiden Chefinnen inzwischen auch samstags und sonntags ihr Badehaus geöffnet haben.
Wobei, sagt Sabine Väth, "wir sind natürlich ein sehr europäisch ausgerichtetes Hamam." Der Niederrheiner an sich versteht unter Wasser, Dampfbad und Peeling eher Wellness, sprich Entspannung für Körper und Geist, sprich: Ruhe. Allein sein. Stille. Das ist in orientalischen Hamams ganz anders, da ist es laut und trubelig, gesellig und lebhaft - und vollkommen normal, dass man sich am Wasserbecken über Kinder und Erziehung, Investmentfonds und Kinofilme lebhaft austauscht.
Tu’ es endlich
Bevor Sabine Väth den Schritt in eine schaumige Zukunft wagte, hat sie einen Businessplan aufgestellt, hat Zahlen hin- und hergeschoben, Mut verloren, Mut gewonnen. "Als dann mein Mann sagte, es lässt Dir eh’ keine Ruhe, tu es endlich, habe ich es gewagt - aber ich habe nirgends einen passenden Raum gefunden." Bis sie eines Tages im Gewerbegebiet-Süd in einer ehemaligen Naturstein-Ausstellungshalle dieses Schild las: Zu vermieten.
Dann wurde verhandelt, verworfen, umgebaut. 100 Quadratmeter unten, Badebereich, 100 Quadratmeter oben, Ruhezonen. "Wir sind ein kleines Haus, das macht aber alles auch exklusiver, freundlicher, familiärer."
Fünf feste Arbeitsplätze haben die beiden Existenzgründerinnen in Neukirchen-Vluyn geschaffen - die Hamammeister und -meisterinnen kommen aus Deutschland, Marokko, Tunesien, Russland.
Mohamed nimmt das Pestemal, das Wickeltuch, und legt es auf den warmen Nabelstein. Zeit - was ist das?
Quelle :
nrz-der westenHier die Website :
http://www.hamam-zavae.de/index.html