Wenn fromme Regierungsmacher ein Rauchverbot machen….von Perihan Ügeöz
Nur noch 18 Monate! Dann sollen die Lungen der Türken genauso gesund pumpen, wie die ihrer Mitmenschen in europäischen Ländern. Warum nicht ab sofort oder zumindest in zwei oder drei Monaten? Soll der Vorspann etwa besonderen landesweiten Rauchentwöhnungskampagnen gewidmet sein? Keine Spur! Wer auch nur ein bisschen mit den Abrakadabrakünsten der Politikszene vertraut ist, käme erst gar nicht auf den Gedanken, derlei zu fragen. In ca. 14 Monaten finden nämlich in der Türkei Kommunalwahlen statt. Würde man das Rauchen vorher verbieten, könnte statt des Zigarettenrauchs womöglich zuviel Sauerstoff in die Gehirnzellen der Türken aufsteigen, was wiederum dazu führen könnte, dass der eine oder andere Mensch es sich mit seiner Wahlstimme anders überlegt. Schließlich hat der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan mit der wahrlich nur ihm so eigenen Ernsthaftigkeit in Stimme wie Mimik den Seinigen verordnet, dass er alle Provinzen erobert sehen möchte.
Kaum hatte die Nation die ersten Lichtstrahlen des neuen Jahres huldvoll erblickt, schon ereiferten sich emsige Regierungsvertreter, sich dem europäischen Modetrend mit dem Kampf gegen das Rauchen anzuschließen. Ein umfassendes Rauchverbotsgesetz wurde verabschiedet, das just nach den Kommunalwahlen im nächsten Jahr in Kraft treten soll. Hüben wie drüben ist das Argument ein gleiches: Rauchen gefährdet die Gesundheit.
Das ist wohl wahr. Und trotzdem, das Rauchverbot einzig mit der kostbaren Gesundheit des Menschenlebens zu rechtfertigen, klingt im vorliegenden Kontext reichlich unglaubwürdig, um nicht verlogen zu sagen. Als ob die Armut, die Mangelernährung, die Arbeitslosigkeit, die Umweltverschmutzung, die Verdreckung der Seen und Flüsse, der Lärm und die Abgase der Autos, die …… und der…. und das…., mit deren Nöten Tausende von Türken bestens und übergebühr vertraut sind, nicht ebenso sehr gesundheitsschädlich wären, und als ob die Herren türkischen Parlamentarier (die Frauen sind im Parlament so dürftig vertreten, dass es nur eine Höflichkeitsfloskel wäre, ihrer mit zu gedenken) ihrer Sorgen auch nur annähernd angenommen hätten, bleibt jetzt einzig das Rauchen als gesundheitsschändendes Ungeheuer übrig, dem der Kampf beschieden sein soll. Und welch ein Kampf: Künftig soll nirgends mehr Zigarettenrauch aufsteigen, weder in Restaurants noch Bars oder Cafes, einschließlich der Dorf- und Kiezcafes, die im Türkischen „Kahvehane“ genannt sind und in der Landeskultur einen besonderen kommunikativen Stellenwert haben. Genau genommen übertrifft die Spannweite des anstehenden Rauchverbots sogar die Regelungen in einigen westlichen Ländern, wo zumindest hier und dort abgetrennte Ecken für Raucher vorgesehen sind, wo sie sich nach Herzenslust weiter verräuchern dürfen. Und selbst da, wo es keine Raucherecken gibt bzw. geben wird, wie z.B. in Italien, ging dem Verbot immerhin ein mehrjähriger Prozess voraus, der mitunter dazu diente, die Autokontrolle innerhalb der Bevölkerung zu fördern.
Nun aber kommt die Pointe: Zwei Orte sollen vom umfassenden Rauchverbot ausgenommen sein. Der eine davon sind offene Plätze von Krankenhäusern, damit Menschen, deren Nahestehende schwerkrank oder gar tot sind, ihren Kummer ausrauchen können. Der andere Ort sind die Höfe von Moscheen. In seiner ersten Fassung umfasste das Rauchverbot auch diese heiligen Stätten. Doch manche der frommen Regierungshüter waren der Auffassung, dass diese Maßnahme dazu führen könnte, die Menschen von der Religion zu entwöhnen. Per Antrag wurde dieser gruseligen Vorstellung ein Ende gemacht. Wenn es um Religion geht, hört es offenbar auf mit dem spaßigen Gedöns um die Gesundheit.
Man muss nicht mit den Segnungen eines Propheten ausgestattet sein, um sich auszumalen, was passieren wird, wenn das Rauchverbot der frommen Männer in nicht allzu ferner Zukunft in Kraft treten wird. So Gott will, und es gibt einstweilen keinen Grund, warum der Allmächtige seine Laune ändern sollte, wird die regierende Partei in zwischenzeitlich einen triumphalen Wahlsieg bei den Kommunalwahlen errungen haben. Als Wahlbestechung – pardon als Ausdruck sozialer Fürsorge freilich hatten sie bei der vorausgegangen Wahl tonnenweise Brennkohle und Proviant an die Bevölkerung verteilt. Wer weiß, vielleicht verteilen sie dieses Mal auch Säckeweise Zigaretten, damit man sie auf Moscheehöfen mit einem frommen Segensspruch auf die nicht minder frommen Regierungsväter anzünde. Wie dem auch sei, um ein mehrfaches aufgeplustert vom Rausch ihres Wahlsieges werden die Hüter der Kommunen möglicherweise besonders energisch – selbstverständlich nur im Namen der Gesundheit – ihren heiligen Angriff gegen den Zigarettendunst ansteuern. Man erinnere sich nur an die Projekte mit den Alkoholbannmeilen, die sogenannten „roten Strassen“, wo es darum ging, in zahlreichen Städten, einschließlich der Tourismuszentren wie Istanbul, Antalya und Marmaris, den Alkoholausschank aus den Stadtzentren in irgendwelche JWDs zu verbannen. Im Geiste den Gesundheitsterror und seine Schikanen ausmalend, wird ein nicht unerheblicher Teil der Kneipen- und Kaffeegänger womöglich erst gar nicht den Kneipen- und Kaffeegang antreten. Es ist sodann durchaus denkbar, dass so manche der Vergnügungsstätten, wo die Türken, in der einen Hand die Zigarette, in der anderen den Rakiglas haltend, ihren kommunikativen Fähigkeiten freien Lauf verschaffen konnten, eine nach der anderen der gähnenden Leere erliegen wird. Manch ein leidenschaftlicher Raucher würde freiwillig zeitlebens am Stil eines Besens nuckeln, als sich je wieder einen Zigarettenstengel in den Mund zu stecken, wenn er bloß glauben könnte, dass es eben nicht genau das ist, was die frommen Regierungshüter anpeilen, wenn sie in Windeseile ein Rauchverbotsgesetz austüfteln.
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