Rechtzeitig bevor das Gesetz in 18 Monaten in Kraft tritt, will der Staat die Tabakindustrie privatisieren.
Das türkische Parlament hat am Donnerstag einem der restriktivsten Gesetze gegen das Rauchen zugestimmt. Zwar sind die Raucher wie andernorts auch in der Türkei keine ganz kleine Gruppe, aber anscheinend haben sie keine Lobby. Gerade zwei Abgeordnete stimmten gegen das Gesetz, sechs enthielten sich und 240 waren dafür.
In Bars, Cafés, Restaurants, an allen Stätten der Kultur und des Sportes ist das Rauchen nun verboten. Das gleiche gilt für öffentliche Gebäude, für Schulen auch auf dem Pausenhof und im Lehrerzimmer, in Bussen, Bahnen, Flugzeugen, im Taxi und im Sammeltaxi. Auf dem Deck von Schiffen dürfen spezielle Raucherzonen eingerichtet werden, ebenso dürfen Hoteliers Raucherzimmer einrichten, ansonsten herrscht auch hier striktes Rauchverbot.
Wer das nicht beachtet muss umgerechnet fast 30 Euro Strafe bezahlen. Wer einen Zigarettenstummel auf die Straße schmeißt und sich dabei auch noch erwischen lässt, zahlt elf Euro. Wenn die Lokalbesitzer das Rauchverbot nicht durchsetzen, werden sie zuerst verwarnt, dann folgen hohe Bußgelder. Auch die Zigarettenwerbung wird eingeschränkt.
All die verrauchten Bars, die Teehäuser, in denen die Männer eingehüllt in dicke Schwaden im Winter um den heißen Kanonenofen sitzen und Karten spielen, die Cafés mit den wieder etwas Mode gewordenen Wasserpfeifen, die verrauchten Esslokale sollen nun bald in dieser Form der Vergangenheit angehören. Man fragt sich, wo die Leute sind, die sie vermissen, denn niemand steht gegen das Gesetz auf den Barrikaden.
Die linksliberale Tageszeitung „Radikal“ schwärmt von einem „Leben ohne Rauch“ und fordert ihre Leser sogar dazu auf, darauf zu achten, dass das Gesetz auch befolgt wird. Wenn auch sicher nicht zu 100 Prozent, so hat das Gesetz doch eine gute Chance die neue Norm zu werden. Ein bereits früher erlassenes Rauchverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln, bei dem Taxis ausgenommen waren und auf Schiffen weniger restriktiv gehandhabt wurde, wird jedenfalls, wenn auch von manchem zähneknirschend, auch ohne die Hilfe der Leser der radikal befolgt.
Die Türken haben auch eine lange Frist, um sich auf die neue Regelung einzustellen. In Teehäusern, Cafés, Restaurants, Bierlokalen und an vergleichbaren Orten darf noch 18 Monate lang wie gehabt gepafft werden. Journalisten ist gleich aufgefallen, dass damit ein großer Teil des Gesetzes erst drei Monate nach den Kommunalwahlen im März 2009 in Kraft tritt. Doch Angst vor dem Wähler?
Staat verkauft Zigarettenmarke
Die Opposition kann aus der Sache jedenfalls nicht so leicht einen Nutzen ziehen, denn die im Parlament vertretenen oppositionellen Parteien haben gegen das Gesetz nicht opponiert. Wenn man aber schon bei Hintergedanken ist, so kann man sich auch fragen, ob es einen Zusammenhang mit der für dieses Jahr geplanten Privatisierung der staatlichen Zigarettenmarke Tekel Sigara gibt. Will der Staat Tekel abstoßen, ehe das Rauchverbot voll in Kraft getreten ist? Es scheint ein wenig so.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2008)