Die Türkei entwickelt sich auch im Bereich Gesundheitstourismus immer schneller. Vor allem Kliniken für plastische Chirurgie und ästhetische Operationen bekommen immer mehr Zulauf aus dem Ausland. Eine der Kliniken, die in Antalya gelegen zusehends auch im Ausland bekannter werden, ist die Klinik „a-plast Estetik ve Plastik Cerrahi“. Mehmet Perçin unterhielt sich für Tourexpi mit Dozent Dr. Ömer Refik Özerdem und seinem Bruder, Dr. Gökhan Özerdem über den Erfolg der Klinik und die Probleme der Branche.
Einer der überraschenden Fakten, die während des Gesprächs angesprochen wurden, ist die Tatsache, dass sich Dozent Dr. Ömer Refik Özerdem immer häufiger in den „Filialen“ der Klinik in Antalya aufhält, da diese aufgrund der Nachfrage von Patienten aus dem Ausland mittlerweile aktiver sind als die Zentrale in Istanbul.
MP: Menschen mit medizinischen Problemen nennen wir Patienten. Müssen wir Personen, die Ihre Klinik aus ästhetischen Gründen besuchen, nun stattdessen „Kunden“ nennen?
Özerdem: Ich bin definitiv gegen eine solche Unterscheidung. Die Menschen, die zu uns kommen, wollen alle ihre Lebensqualität verbessern. Ein Mensch, der eine Deformation am Körper oder im Gesicht hat, muss deshalb keine Schmerzen erleiden oder körperlich behindert sein. Aber er weiß, dass er nach dem Eingriff schöner aussehen wird, sich sozialer verhalten kann, unter Umständen auch mehr Freude an seinem Leben haben wird. All dies wirkt sich positiv auf seine Lebensqualität aus. Eine Person, die mehr Lebensfreude und größeres Selbstvertrauen besitzt, wird deshalb auch gesünder sein und sich in Gesellschaft wohler fühlen.
MP: Chirurgische Kliniken wie die Ihrige eröffnen, nachdem sie in Istanbul erfolgreich waren, im Allgemeinen die ersten Filialen in Großstädten wie Izmir, Ankara, Adana oder im asiatischen Teil Istanbuls. Was hat Sie dazu bewogen, sich für Antalya zu entscheiden?
Özerdem: Wenn wir uns die Zahl der Eingriffe ansehen, kann man weder Istanbul noch Antalya als Zentrale oder Filiale bezeichnen. Unser Unternehmen hat seinen Hauptsitz in Antalya, da Antalya in meinem Leben eine besonders wichtige Rolle spielt. Doch jenseits dieser persönlichen Vorliebe nimmt auch die Zahl der Patienten aus dem Ausland stetig zu, und ich gehe davon aus, dass sich dies bald noch stärker intensivieren wird. Außerdem ist die Lage Antalyas ein besonderer Vorteil.
MP: Welche Vorteile bietet Antalya denn?
Özerdem: Dazu zählt die Anbindung an einen Flughafen, über den die Stadt das gesamte Jahr über aus aller Welt erreichbar ist. Hinzu kommt auch die hohe Qualität der Kliniken vor Ort, deren hohe Zahl und die guten Erfahrungen, die die Patienten aus dem Ausland mit ihnen gemacht haben, hinzu kommen sehr gut ausgebildete Angestellte mit hervorragenden Sprachkenntnissen. Das alles stellt eine gute Infrastruktur dar.
Doch die wirklich wichtigen Vorzüge Antalyas sind sein Klima, die Menschen, die Natur, das historische Erbe und das Meer. Nach den meisten Eingriffen müssen die Patienten nur eine oder zwei Nächte in der Klinik verbringen, die meisten können sogar gleich in ihre Wohnung oder ihr Hotelzimmer zurückkehren. Sie müssen sich aber noch ca. fünf Tage lang schonen und ausruhen. Und das können sie in Antalya ganz ausgezeichnet. Das saubere Meer, die Meeresluft, die sich mit derjenigen der Wälder im Taurusgebirge vermischt, das Licht und die reichliche Sonne, das alles ist vor allem auch für Besucher aus dem Ausland sehr heilsam. Sie wühlen sich auch sehr wohl, und das ist für den Heilungsprozess sehr wichtig. Das kann man in Istanbul inmitten all des Stresses und des Verkehrschaos nicht finden. Antalya selbst ist ein Teil der Therapie.
MP: Welche Gründe können einen Deutschen oder Engländer dazu führen, für eine ästhetische Operation in die Türkei zu kommen?
Özerdem: Dafür lassen sie viele Gründe anführen. Für viele ist der Preis der ausschlaggebende Faktor. Eine ästhetische Operation kostet in England das Dreifache dessen, was sie in der Türkei kostet. Für den Rest des Geldes kann man die Operation mit einem tollen Urlaub kombinieren, und auch noch ordentlich sparen.
Ein weiterer Grund sind die positiven Auswirkungen des Klimas und der Umgebung auf den Heilungsprozess nach dem Eingriff. Hier findet man in jeder Jahreszeit frische Speisen, eine gute Luft, nette Leute und Hotels erster Klasse, so dass man sich nach dem Eingriff gut erholen kann.
Ein weiterer wichtiger Grund: Viele der Patienten möchten nicht, dass ihre Bekannten sie mit den Pflastern, Verbänden, oder auch Blutergüssen und Rötungen sehen, die nach vielen ästhetischen Behandlungen zuerst einmal für eine gewissen Zeit auftreten. Diese Menschen sagen ihren Bekannten, sie fahren in den Urlaub, und kommen nachher verschönt zurück, ohne dass man Behandlungsspuren sehen könnte. Dass ziehen viele vor. Außerdem verbessert sich auch der Ruf der Türkei, von Antalya und auch der türkischen Medizin ständig weiter.
MP: Die Türkei macht im Gesundheitstourismus trotzdem relative langsame Fortschritte, habe ich den Eindruck.
Özerdem: Das bedeutendste Hindernis für uns ist die Haltung der Mediziner in Ländern wie Deutschland, den USA oder England. Dort verteufelt man ästhetische Eingriffe im Ausland geradezu, man rät den Patienten davon ab, weil die Eingriffe keine gute Qualität hätten, weil man im Problemfall alleinegelassen werde, weil man Sprachprobleme haben werde. Das ist teilweise verständlich, man verliert schließlich eine Menge Geld ins Ausland, und die Ärzte und Kliniken in den Quell-Ländern wollen ihre Patienten behalten. Wir würden es jedoch vorziehen, wenn die Konkurrenz nicht durch Verleumdungen, sondern auf der Basis eines geeigneten Preis-Leistungsverhaltens ausgetragen würde. Also fairer, gerechter und in Form eines Wettbewerbs, der den Verbrauchern zugute kommt.
MP: Sind die vorgebrachten Bedenken denn gänzlich grundlos?
Özerdem: Für die Türkei kann ich das entschieden bejahen! Die Qualität der ästhetischen und plastisch-chirurgischen Kliniken in der Türkei ist mindestens so hoch wie die der europäischen Konkurrenten und teilweise höher als in manchen europäischen Ländern. Und ein Sprachproblem haben wir schon lange nicht mehr. Was die Maschinen, medizinischen Geräte, den Komfort und die Hygiene der Kliniken betrifft, sind wir mindestens auf demselben Niveau wie das der hochentwickelten Länder Europas. Und die Türkei liegt lediglich 3 Stunden Flug von Europa entfernt und ist damit leicht erreichbar.
MP: Sie sprachen von medizinischen Geräten, Materialien, qualifizierten Ärzten und gut ausgebildetem Personal. Wenn das alles auf europäischem Niveau ist, wie kann die Türkei dann die gleiche Leistung für einen Drittel des Preises anbieten? Arbeiten unsere Ärzte für weniger Geld? Wird das qualifizierte Personal gering bezahlt?
Özerdem: Wenn man sich die Einzelheiten vor Augen führt, verliert Ihre Frage ihre Ironie und wird zu einem positiven Statement. Die Kosten für medizinische Apparate liegen für uns in etwa ebenso hoch wie in einer deutschen Klinik. Auch bei uns verdienen Chirurgen viel Geld und qualifiziertes Klinikpersonal verdient in der Türkei nicht viel weniger als zum Beispiel in England. Der Unterschied liegt in den Kosten für die Klinik. Nach einer Implantation von Silikon in eine Brust empfiehlt man dem Patienten, zwei bis fünf Tage in der Klinik zu bleiben. In England kostet eine Nacht in der Klinik zwischen 800 und 1.200 Euro. Für diesen hohen Preis gibt es meiner Meinung nach keinen nachvollziehbaren Grund. Wir verlangen dafür unter gleichen Bedingungen zwischen 150 und 200 Euro. Das müssen Sie nun mit der Zahl der Übernachtungen multiplizieren. Eigentlich müsste die Frage nicht lauten, warum die Türkei so günstig ist, sondern vielmehr, warum England so teuer ist.
MP: Wie kann eine Person aus dem Aus- oder Inland, die einen ästhetischen Eingriff vornehmen lassen möchte, erkennen, ob ein Qualitätsunterschied zwischen Ärzten oder Kliniken besteht? Nach welchen Kriterien sollte man sich da entscheiden?
Özerdem: Jemand, der keine medizinische Ausbildung besitzt, kann sich da niemals hundertprozentig sicher sein. Man kann sich lediglich durch die Referenzen der Klinik, den Eindruck der Sauberkeit und Hygiene, die Modernität der Einrichtung und der Ausstattung und die Freundlichkeit des Personals einen Eindruck verschaffen. Diese Eindrücke können jedoch unzureichend sein. Wichtig ist aber trotzdem das Gefühl des Patienten, ob er Vertrauen fasst, oder ob nicht.
Eine Person, die bereits verschiedene Kliniken verglichen hat und kurz vor der Entscheidung steht, sollte meiner Meinung nach vor allem zwei Punkte beachten: Sein Instinkt wird ihm sagen, in welcher Klinik er sich sicherer und wohler fühlt, und zweitens ist es wichtig, dass er vom Arzt bereits beim ersten Gespräch klare, umfassende und präzise Informationen erhält. Wenn sich ein Arzt beim Vorgespräch zu irgendeinem Eingriff hastig verhält, wenn er den Patienten zu überzeugen versucht oder gar Druck aussetzt, anstelle alle Fragen ruhig, gelassen und detailliert zu beantworten, dann sollte man an seiner Qualität zweifeln.
MP: Ist von Gesundheitstourismus die Rede, so fallen Menschen in den USA als erstes Thailand und Indien ein. Welche Vorteile haben diese Länder gegenüber der Türkei?
Özerdem: Meiner Meinung nach haben sie überhaupt keine Vorteile, eher Nachteile. Aber sie haben diesen Markt früher als wir erkannt und ihn gut genutzt. Da wurde vor allem in den USA viel Geld für PR und Imagepflege ausgegeben, und man hat eng mit Lobbyfirmen, Medien und auch Ämtern zusammengearbeitet. Dazu hat man Dachorganisationen gegründet, die diese Aktivitäten koordiniert haben.
Die Türkei ist auch in diesen Markt eingestiegen, doch gibt es gerade in den USA so gut wie keine PR-Aktivitäten. Es reicht nicht aus, wenn man lediglich auf Messen Präsenz zeigt. Man braucht eine Dachorganisation, die die Aktivitäten koordiniert, und die Türkei hat so etwas noch nicht. Ich habe aber keinen Zweifel daran, dass sich das bald ändern wird. Momentan arbeiten wir aber noch nicht als Branche zusammen, sondern nur auf Basis der einzelnen Unternehmen. Wir beschäftigen zum Beispiel je einen Angestellten für das Marketing in Deutschland und in England.
Haben Sie herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
Quelle: tourexpi