Teil 6 Pinara, Tlos, Saklikent
Uns stand ein langer Tag bevor, so zogen wir früh los. Die letzten 6 km nach Pinara muß man eine Staubstraße fahren. Am Anfang war sie von den Winterregen sehr ausgewaschen, und mein Mann mußte vorsichtig um Löcher und große Steine herumfahren. Dann wurde der Weg besser. Schon von weitem war eine Wand zu sehen, die von Gräbern durchlöchert ist wie ein Schweizer Käse. Mann sollte, wenn man fotografieren will, Pinara morgens besuchen, weil dann die Beleuchtung gut ist. Immer höher schraubte sich die Straße und der Ausblick ins Tal wurde immer schöner.
Am Parkplatz angekommen, war das Tickethäuschen noch nicht besetzt, so zogen wir einfach schon mal los. Wir querten ein romantisches Bachtal und kamen zum sogenannten Königsgrab aus dem 4. Jhd. v. Chr.. Die Reliefs dieses Grabes sind in zweierlei Hinsicht interessant. Im Giebel ist eine Repräsentationsszene zu sehen. Darunter befindet sich auf dem Architrav eine Darstellung eines Gefangenenzuges mit Reitern und Hopliten. Obwohl der Stil hellenistisch ist, ist diese Darstellung sehr ungewöhnlich. In der griechischen Kunst wurden nur Kämpfe zwischen gleichwertigen Gegenern oder mythologische Kämpfe dargestellt. Die demütigende Darstellung von Gefangenen entspricht eher der drastischen orientalischen Repräsentationskunst.
Im Vorraum findet man vier Stadtdarstellungen. Vergleichbare Darstellungen sind in der griechischen Kunst nicht bekannt. Die Interpretation gestaltet sich schwierig. Wahrscheinlich stehen sie hier für das Herrschaftsgebiet des hier beerdigten Herrschers.
Neben diesem Grab befinden sich noch andere in der Wand, die zum Teil noch nicht frei gelegt sind.
Wir kehrten zum Hauptweg zurück, verpaßten eine Abzweigung und kletterten zu Ruinen auf dem Hang, an denen dann ein Pfad entlang ging. Schon hier hatte man einen wunderbaren Ausblick auf das ferne Tal und das Theater auf dem kleinen Gegenhügel. Der Weg wurde immer steiler, aber ich wollte natürlich auf die Unterburg. Über einen sehr steilen Hang kraxelten wir nach oben. Herunter würden wir wohl nur auf dem Hosenboden kommen. Oben angekommen wurden wir durch einen herrlichen Blick belohnt. Mit Hilfe unseres Planes konnten wir im Durcheinander der Gebäudereste einen Tempel und das Bouleuterion ausfindig machen. Auch hier kommt man sich vor wie ein Pionier der Archäologie. Überall in den umgebenden Felswänden gibt es Gräber. Zum Teil sind es nur einfache Löcher, zum Teil sind sie wie Tempeleingänge gestaltet. Am Rand des Plateaus der Unterburg fanden wir noch ein Grab, das mit einem Stiekopfrelief geschmückt ist.
Neben diesem Grab fanden wir Gott sei Dank einen Pfad, der etwas sanfter abwärts führte. Er endete am Königsgrab.
Inzwischen war auch das Tickethäuschen geöffnet und wir entrichteten unseren Obolus. Bis jetzt war die Anlage ziemlich leer gewesen. Nun kam eine große Gruppe junger Türken, die vom Alter her Studenten zu sein schienen. Die Armen waren die ganzen 6 km Straße aufwärts gewandert und sahen zum Teil schon ziemlich kaputt aus, bevor sie überhaupt in den Ruinen herumgeklettert waren. Auf dem Weg abwärts überzeugten wir ein junges Paar, das schon sein Auto abstellen wollte, davon, weiter zu fahren, da sie das Schlimmste schon fast überstanden hatten. Eine gute Tat für diesen Tag
.
Durch blühende Granatapfelhaine ging es weiter nach Tlos. Die Granatapfelbäume bieten mit ihren leuchtend orangenen Blüten und dem dunkelgrünen Blätterwerk einen wunderbaren Anblick.
In Tlos empfing uns eine große Wiese voller Mohn. Welch ein Empfang! Die Anlage wird beherrscht von einer Burg auf einem Hügel, in dem einst der "Blutige Ali" herrschte. Hier sind viele antike Bauteile verbaut. Auf dem Weg dorthin mußten wir in einem der lykischen Felsengräber Schutz vor einem Schauer suchen. Schön im Trockenen genossen wir den Ausblick auf das Stadion, die Basilika, die Thermen und eine wunderschön blühende Blumenwiese. Im Hintergrund war das Theater zu erkennen.
Nach dem kurzen Regenintermezzo ging es hoch zur Burg. Hier konnte man mal wieder freitags sehen wer samstags zu Besuch kommen würde
. Wie bei den meisten lykischen Städten war auch hier die Aussicht überwältigend.
Wir kletterten dann noch zu mit Reliefs geschückten Hausgräbern am Nordrand der Akropolis. Angesichts des steilen Pfades und des glitschigen Untergrunds auf Grund des vorangegangenen Regens verzichteten wir auf den Besuch des berühmte Grabes mit der Bellerophon-Darstellung und fotografierten nur die Fassade von der Straße aus.
Unser nächstes Ziel war die Saklikent-Schlucht. Erst einmal aßen wir in einem etwas kitschig orientalischen Restaurant eine Forelle, bevor wir dann die Schlucht betraten. Im heißen Sommer muß das ein wunderbar kühler Ort sein. Überall plätscherten kleine Wasserfälle. Das Wasser schien sehr kalt zu sein und eine Gruppe junger Leute, die im Wasser flußaufwärts gehen wollten, kamen nicht weit. Wir genossen einfach nur den Anblick und machten uns dann auf dem Heimweg.
In Patara genossen wir noch einmal den Strand. Das Wasser war schon relativ warm, so dass ich sogar ins Meer ging.
Abends bekam unsere Gastgeberfamilie eine neue Nähmaschine. Wir bewunderten die Schwester unsere Pensionsinhabers, wie sie geschickt an einem dieser niedrigen Tische hockte und die Maschine bediente. Ich hätte nie meine Glieder so verrenken können. Es sollen neue Vorhänge und Bettwäsche genäht werden. Wir waren erfeut, dass unser Wirt nicht langweilige weiße Stoffe ausgewählt hatte, sondern einen mit einem floralen Muster. So bleibt das orientalische Flair der Gastzimmer erhalten.
In unsere Pension kamen wir mit zwei Wanderern ins Gespräch, die den Lykischen Weg mit Rucksack und Zelt erwandert hatten. Zur Erholung hatten sie in Patara eine Pause eingelegt und kurze Wanderungen in der Umgebung unternommen. Am nächsten Morgen wollten sie dann wieder weiter ziehen. Leider ließ uns unser gedrängter Zeitplan keine Zeit für Wanderungen, aber wir kommen bestimmt einmal wieder, um auch die Stätten zu besuchen, die nur durch Wanderungen zu erreichen sind. Bei Wanderungen gekommt man noch einmal einen ganz anderen Eindruck von Landschaft, Menschen und Natur.