24. November 2024, 16:38:26

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Autor Thema: Turgutköy Halı Carpet Weavers Association, Turgut/Marmaris  (Gelesen 4595 mal)

8 Antworten am Turgutköy Halı Carpet Weavers Association, Turgut/Marmaris
am: 29. August 2015, 19:12:38

Offline Carlos

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Eigentlich wollten wir das Halıçı Museum an der Datça Marmaris Yolu besuchen.
Leider ist dieses anscheinend geschlossen. Ausser einem ziemlich giftig bellenden Riesenhund war dort niemand. Das Gelände sah verlassen aus. Tja, Pech gehabt  plaque

Doch dann fiel uns auf dem Weg nach >> Selimiye << eine Teppichfabrik am Strassenrand auf. Nachdem im >> Loca Hotel << ein Prospekt auslag beschlossen wir oder besser gesagt ich  :coolman: die Turgutköy Halı Carpet Weavers Association zu besuchen.
Bisher hatten wir Ausflüge mit Verkaufsveranstaltungen in Teppichfabriken in unseren Urlauben gemieden. Wir teilten mit vielen Urlaubern das Vorurteil  in diese Fabriken würden Urlauber gekarrt nur um Teppiche zu verkaufen und man werde fast genötigt einen solchen zu erwerben. Mich interessierte aber die Tepichherstellung und somit sprang ich über meinen Schatten   ;D

Mein Mann zog es vor die Zeit auf dem Parkplatz vor der Fabrik zu verbringen  :o:

Antwort #1
am: 29. August 2015, 19:19:23

Offline Carlos

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Gerade hatte ich die Turgutköy Halı Carpet Weavers Association betreten kam ein Angstellter auf mich zu und fragte nach der Nationalität. Ein deutsch sprechenden Begleiter wurde mir zur Seite gestellt. Ich bekam sozusagen eine sehr interessante (Einzel)-Führung  thumbsup

Diese begann bei einem dampfenden Bottich mit Seidenraupenkokons des Maulbeerspinners. Dieser Schmetterling ernährt sich fast ausschließlich von den frischen Blättern des Maulbeerbaumes. Auf unserer Fahrt über die Bozburunhalbinsel sind uns sehr viele Maulbeerbäume aufgefallen, aber laut dem Herrn an meiner Seite ist die Gegend um Bursa die mit den meisten dieser Bäume.
Die Raupen benötigen ca. 4 Wochen um sich zu verpuppen. Da man zur Seidegewinnung nur die Kokons toter Raupen nutzen kann werden diese durch heißes Wasser abgetötet. Der nette Herr am dampfenden Bottich mit den Kokons führte das Abhaspeln der Seidenfäden vor und öffnete einen Kokon um die abgetötete Raupe zu zeigen. Von jedem der Kokons werden nur die mittleren Meter der Fäden (welche bis zu 25 000 m lang sein können) abgehaspelt

Antwort #2
am: 29. August 2015, 19:23:21

Offline Carlos

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Nächste Station war das Färben. Es werden nur Naturfarben zum Färben der verschiedenen Materialien wie Schafwolle, Angora, Baumwolle und Seide verwendet. So wird z.B. Rot aus Schildläusen, Blau aus der Wurzel der Indigopflanze, Braun aus Walnussschalen gefärbt. Mich erinnerte dies an meine Kindheit als die Ostereier mit Zwiebel, Walnussschale oder Rote Beete gefärbt wurden  :lieb:  Auch verschiedene Kräuter/Gewürze wie Kurkuma oder Safran werden zum Färben mit heiß angesetzter Flüssigkeit benutzt. Mich beeindruckten die kräftigen und leuchtenden Farben trotz der natürlichen Art der Färbung!  thumbsup

Die Teppiche werden aus verschiedenen Materialkombinationen gewebt:
 
-Schafwolle auf Schafwolle
-Baumwolle auf Baumwolle
-Schafwolle auf Baumwolle
-Seide auf Baumwolle
-Seide auf Seide

Die hochpreisigsten Teppiche sind, man kann es sich fast schon denken, die Seide auf Seide gewebten Teppiche  :coolman:

Antwort #3
am: 29. August 2015, 19:42:15

Offline Carlos

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Vom Färben ging es nun weiter zum Knüpfen.
An einem vertikalen Knüpfstuhl  knüpfte eine Frau nach Muster. Sie führte mir die zwei verbreitetsten Arten des Knüpfen der Knoten vor. Einmal in normalem Tempo dann im Zeitlupentempo damit ich folgen konnte! Schliesslich sollte ich mich daran versuchen  :pfeif:

Man knüpft in der Türkei zwei Varianten von Knoten, den Gördesknoten (symetrischer Doppeklknoten) und den persischen Sennehknoten (asymetrischer Einfachknoten). Nicht nur das Material auch die Knotendichte beeinflusst den Preis der Stücke. Die Auswahl reicht von grob geknüpften Teppichen mit 15-25 000 Knoten/qm bis zu sehr fein geknüpften Seidenteppichen mit ca. 400 000 Knoten/qm. Mit dem Knüpfmesser (Tich) schnitt sie ein Stück Wolle ab, knüpfte den Knoten um die Kettfäden und zog selbigen fest. Als ein Stück geknüpft war schlug die Knüpferin mit einem schweren Kamm aus Eisen die geknüpften Knoten fest. Danach kam die schwere Eisenschere zum Einsatz. Mit dieser wurde der Teppich/die Knoten einheitlich auf Länge gekürzt.

Antwort #4
am: 29. August 2015, 19:46:35

Offline Carlos

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Das unvermeidliche kam natürlich auch noch:  Ich wurde in den Verkaufsraum gebeten, Çay, türk kahvesı und Wasser wurde angeboten und die Türe geschlossen  haarig  Plötzlich war mein Vorurteil wieder da und ich dachte: Du kommst hier erst wieder raus wenn du'n Teppich gekauft hast!  heidernei 

Der Gedanke entpuppte sich als völliger Blödsinn!  :klatsch:

Der Verkaufsraum war gefüllt mit unzähligen Teppichen, aufgerollt, hängend an der Wand, übereinander liegend und in allen erdenklichen Mustern – von modern bis traditionell. Beim Warten auf türk kahvesı + su wurde mir viel Informatives und Interessantes über türkische Teppiche und ihre Geschichte erzählt. Es würde den Rahmen sprengen dies nieder zu schreiben, daher nur ein kleiner Auszug:

Das Handwerk des Teppichwebens existiert in der Türkei seit Jahrhunderten. Es wurde in Familien über viele Generationen weitergegeben. Im Istanbuler Teppich und Kelim Museum befinden sich angeblich die ältesten Fundstücke, einige aus dem 5.Jh v. Cr. Die besten türkischen Seidenteppiche werden, so wurde mir erzählt, in der kleine Küstenstadt Hereke (ca. 70 km von Istanbul entfernt) und den kleinen Dörfern drumrum hergestellt.
Noch heute werden die Teppiche mit traditionellem, aber mittlerweile auch modernen Mustern in den Dörfern in Handarbeit geknüpft. Diese sind z.B. berühmten Gemälden nachempfunden. Nicht selten arbeitet eine Knüpferin bis zu einem Jahr und länger an einem Teppich. Durch die Zusammenarbeit mit der Kooperative hat man nun bessere Verkaufsmöglichkeiten. Wer fährt schon in ein abgelegenes Dorf um einen Teppich zu kaufen  :coolman: Auch die Schäfer, Schafscherer, Färber usw. sind in die Kooperative eingebunden. Diese wird staatlich unterstützt da man Devisen ins Land bringt. Die in der Kooperative gekauften Teppiche werden in Deutschland (und wohl auch anderen Ländern) per DPD (?) bis an die Haustüre geliefert.

Antwort #5
am: 29. August 2015, 19:54:50

Offline Carlos

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Zeitgleich mit den Infos zur Geschichte der Teppiche zeigte ein Junger Mann viele verschiedene Exemplare. Mein Gewissen meldete sich!  :lieb: Schliesslich besuchte ich die Turgutköy Halı Carpet Weavers Association nicht mit dem Vorsatz einen Teppich zu kaufen  :nope: Im Gegenteil ich war mir sicher hier nichts erwerben zu wollen, hatte die Teppichknüpferei ausschliesslich informationshalber besucht.
Ich “beichtete” meinem Gegenüber mein schlechtes Gewissen  heidernei Der gute Mann war überrascht und überhaupt nicht erbost  muhaha Erklärte mir, dass er sich natürlich freuen würde würde ich hier einen Teppich kaufen, aber die Führung und Infos seien nicht abhängig davon! Evtl. kämen wir irgendwann wieder in die Gegend, bäuchten einen Teppich und würden uns dann an ihn und die Turgutköy Halı Carpet Weavers Associatio erinnern. Natürlich durfte ich den Raum auch ohne den Kauf eines Teppiches verlassen  ;)

Als die Führung dem Ende zu ging trafen wir auf einen weiteren Angestellten. Dieser hatte, ohne es zu wissen, meinem Mann (der sich die Teppichfabrik nicht antun wollte  :coolman:) die Zeit vertrieben. Wir setzten uns zu viert an die kleine Çay bahçesi vor der Kooperative und unterhielten uns. Dabei wurde uns gesagt: Viele deutsche Besucher reagieren ähnlich wie ich es getan hatte. Zuerst etwas abwehrend gar erschrocken so sie von einem Angestellten angesprochen werden. Im Gegensatz dazu würden türkische Besucher genau dies erwarten und wären entäuscht würde man dies nicht tun. Man würde dies als Service am Kunden erwarten.

Nach dem netten Gespräch beim Çay durften wir weder die Rechnung für den Çay begleichen noch war man bereit zumindest ein Trinkgeld als Anerkennung für die informative, kurzweilige Führung anzunehmen.

Antwort #6
am: 29. August 2015, 20:02:14

Offline Carlos

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Vielleicht hatte ich einfach nur Glück bei der Auswahl der Teppichfabrik – möglicherweise gibt es unter diesen auch Schwarze Schafe.
Allerdings würde ich, nach meinem Besuch und der Erfahrung die ich dabei machen dufte dazu raten sich irgendwann in eine Teppichfabrik zu wagen. Für mich war es eine interessante und informative Erfahrung. Falls wir irgendwann einen Kelim unser Eigen nennen möchten würde ich mich an die Turgutköy Halı Carpet Weavers Association und die “private Führung” erinnern.  :)

Im Leben ned hätte ich eine solch freundliche Behandlung ohne Gegenleistung/Kauf erwartet. Ich war wirklich positiv überrascht  thumbsup  Mein Vorurteil bezüglich Teppichfabriken musste/durfte ich reidieren. Es war, zumindest bei dieser Teppichfabrik, völlig unbegründet.

Antwort #7
am: 29. August 2015, 21:48:01

Offline malbun

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Vielen Dank für den interessanten Bericht. Meine Freundin hat sich einen hochwertigen Teppich in Antalya gekauft und ist auch noch nach 6 Jahren sehr zufrieden mit dem Teppich, die Lieferung hat hervorragend und fristgerecht geklappt.

Antwort #8
am: 30. August 2015, 18:38:52

Offline Reyhan

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Ein wirklich interessanter Bericht !

Danke schön

Reyhan