Museum der Weltkulturen
Karikaturen aus der TürkeiFrankfurt/Main (dpa/lhe) - Im Vorfeld der Frankfurter Buchmesse (15. bis 19.10.) stellt das Museum der Weltkulturen in Frankfurt Karikaturen aus der Türkei vor. "Die Nase des Sultans" heißt die Ausstellung, die vom 9. August bis zum 16. November zu sehen ist.
Die Werkschau gehört zum offiziellen Sonderprogramm, mit dem sich die Türkei als Ehrengast auf der Buchmesse präsentiert. Viele Arbeiten der knapp 50 Werke umfassenden Ausstellung sind dabei erstmals in Deutschland zu sehen, wie das Museum am Donnerstag in Frankfurt mitteilte.
Präsentiert werden Originalzeichnungen, die das alltägliche Leben des Landes aufs Korn nehmen. Gezeigt werden dabei sowohl Klassiker von Zeichnern wie Turhan Selcuk und Eflatun Nuri Erkoc als auch Werke der jüngeren Generation.
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Der Strand Le Manyak in einer Karrikatur von Kemal Aratan (geb. 1965). (Museum der Weltkulturen)Daneben gibt die Ausstellung einen Einblick in die Geschichte und Bedeutung türkischer Karikaturen seit Ende des 19. Jahrhunderts. Kuratorin Sabine Küper-Büsch sagte, dass in der Türkei Satirezeichner trotz mangelnder Pressefreiheit politische Themen deutlich schärfer angehen könnten als schreibende Journalisten.
Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf ein Verbot des Sultans Abdülhamid II. (1842-1918), der Anspielungen auf seine Nase untersagte und selbst das Wort "Nase" durch die Zensur verbieten ließ. Die Ausstellung ist im Anschluss an Frankfurt auch in Wien zu sehen.
Die Ausstellung ist dienstags und donnerstags bis sonntags von 10.00 bis 17.00 Uhr, mittwochs bis 20.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet zwei Euro, ermäßigt 1,50 Euro. Der Katalog erscheint im September und kostet 28,00 Euro.
Quelle:
Frankfurter Rundschau
Türkische Karikaturen in Frankfurt
Busen, Polizei und freche Zeichner - VON ARNO WIDMANN
Im Frankfurter Museum der Weltkulturen (Schaumainkai 37) wird heute abend um 19.30 Uhr die Ausstellung "Die Nase des Sultans" eröffnet. Sie zeigt 44 Zeichnungen von 26 Zeichnern, 4 davon sind Frauen: Karikaturen aus der Türkei. Man sieht schnell, wie lange die Türkei - oder doch wenigstens Istanbul - schon zu Europa gehört. Die Zeichnung, die der Ausstellung ihren Titel gegeben hat, zeigt nichts als eine große Nase. Es ist die Antwort eines unbekannten Satirikers darauf, dass Sultan Abdülhamid II (1842-1918) jede Anspielung auf seine Nase und dann sogar das Wort "Nase" unter Strafe stellte. Diese Zeichnung ist ohne das Vorbild von Charles Philipons "Metamorphose des Königs Louis-Philippe in eine Birne" aus den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts nicht zu denken. Und Eflatun Nuri Erkocs 1956 entstandene Zeichnung eines betrogenen Ehemanns belegt, dass der "New Yorker" und mit ihm der übrigens 1914 im einst osmanischen Bukarest geborene Saul Steinberg auch in Istanbul seine Verehrer hatte.
Die Betroffenen sind beleidigtDie acht satirischen Zeitschriften erreichen eine Gesamtauflage von etwa 200 000 Exemplaren, so die Kuratorin der Ausstellung, Sabine Küper-Büsch. Karikaturen gibt es in fast jeder türkischen Tageszeitung. Die satirische Zeichnung ist ein Genre, von dem auch der türkische Leser erwartet, dass sie die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet. Die Betroffenen freilich - das ist bei uns kaum anders - neigen dazu, beleidigt zu sein und vor den Richter zu gehen. Das kann dann auch der Ministerpräsident sein. 2004 hatte Erdogan in erster Instanz erfolgreich gegen die Tageszeitung Günlük Evrensel "wegen Verunglimpfung des Ministerpräsidenten und zugefügter Schmerzen" geklagt. Er bekam 6400 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Die Karikatur, um die es dabei ging - sie stammt von Sefer Selvi - fehlt in der Ausstellung.
Immerhin aber sind das zivilrechtliche Auseinandersetzungen um noch relativ übersichtliche Streitwerte. Die Gerichte stehen dabei am Ende meist auf Seiten der Zeichner. Satire darf auch in der Türkei mehr als ein Leitartikel.
Die kleine Ausstellung zu besuchen lohnt sich. Allerdings nur, wenn man sich Zeit nimmt. Die meisten Arbeiten sind nicht so leicht zu verstehen wie Tan Orals Zeichnung "Apartment und Minarett" aus dem Jahre 1937. Die Gegenüberstellung von Tradition und Moderne ist freilich nach wie vor ein großes Thema. Wie Männer und Frauen zusammenpassen, ja ob überhaupt, ist, seit es Satire gibt, überall auf der Welt - also auch in der Türkei - eines der beliebtesten Themen. Es wird ihm gerne mit besonderer Drastik und einem großen Vergnügen an Busen, Bäuchen und Hintern nachgegangen.
Daneben gibt es den politischen Cartoon. Zum Beispiel Ercan Akyols "Spurensuche". Akyol ist zeichnender Kolumnist von "Milliyet" und einer der berühmtesten Zeichner des Landes. Am 19. Januar vergangenen Jahres wurde der armenisch-türkische Journalist Hrant Dink, nachdem er mehrfach bedroht worden war, erschossen. Ein Jahr später erinnert Akyol mit einer Zeichnung an den Mord.
Sie macht klar, dass der Anschlag ein Gemeinschaftswerk radikal nationalistischer Kräfte und Vertreter der Polizei war. Der Staatsapparat selbst ist verwickelt in eines der wichtigsten Attentate der vergangenen Jahre. Das Erscheinen dieser Zeichnung wurde nicht verhindert. Die Zeitung wurde - so weit man weiß - nicht deshalb unter Druck gesetzt.
Die Ausstellung kann natürlich nicht jeden der Fälle ausführlich dokumentieren. Vielleicht wird das im September im Dagyeli-Verlag erscheinende Buch zur Ausstellung uns da zusätzliche - allerdings auch sehr nötige - Aufklärung verschaffen. Die Ausstellung wird nach Frankfurt noch in Wien und Berlin zu sehen sein.
Museum der Weltkulturen, Frankfurt: bis 16. November.