„Im Herzen bin ich Türkin, im Geiste Deutsche“
Eigentlich wollte Hatice Akyün einen Deutschen heiraten. Dann lernte sie Ali kennen. Nun leben die beiden ein glücklich deutsches Leben.
Diese Türkin wollte keinen Ali. Sie wollte einen Hans! Hatice Akyün (39) ist mit einer Kontaktanzeige zur Bestseller-Autorin geworden.
Ihre Suche nach dem idealen Mr. Wonderful hatte 200 Seiten und passte zwischen zwei Buchdeckel. Ihr Erstlingswerk „Einmal Hans mit scharfer Sauce“ war ein Mega-Erfolg. Jetzt ist die Fortsetzung da: „Ali zum Dessert“. Hatice Akyün liest heute Abend in der Bertelsmann-Repräsentanz (Unter den Linden 1, Mitte, 19.30 Uhr) daraus.
„Die bekennen sich militant zur Türkei. Dabei würden sie mit ihrem Macho-Benehmen in der Türkei ausgelacht werden. Mein Vater in Anatolien würde über sie genauso den Kopf schütteln wie jeder deutsche Großvater.“ Hatice Akyün über junge Türken in Berlin
Auf einer Lesereise begegnete die Frau, die einen Deutschen suchte, plötzlich „meinem George Clooney“. „Ich habe am ganzen Körper gebebt“, sagt Hatice Akyün, „obwohl er ein Türke war. Dabei wollte ich doch keinen Türken. Ich wollte einen Deutschen!“
Ali schrieb ihr eine Mail und irgendwann landeten die beiden im Bett – der Nachwuchs kam sofort. Nun hat sie Ali geheiratet. Die beiden leben glücklich zusammen. Zwei Türken in einem ganz normalen deutschen Leben.
Genau davon handelt Hatices neues Buch. Lustig, augenzwinkernd und ein bisschen melancholisch beschreibt sie ihr leicht schizophrenes Leben. Wenn Ali mal wieder meckert, weil sie ihre Socken nicht wegräumt, nennt sie ihn „Hans“. Und wenn sie ihn beim Autofahren angiftet, stöhnt er: „Ach, Helga.“ Typisch deutsch!
Hatice Akyün setzt sich lustvoll mit ihrer gespaltenen Identität auseinander: „Im Herzen bin ich eine Türkin, im Geiste eine Deutsche.“ Die ganz normale Schizophrenie von mehr als 2 Mio. Landsleuten, die in Deutschland leben, rund 113 000 davon in Berlin.
Hatice liest regelmäßig an Schulen in Kreuzberg und Neukölln. „Das ist total merkwürdig, denn dort treffe ich Türken der dritten Generation – und die wachsen ganz anders auf als ich.“ Hatices Kindheit spielte noch in zwei getrennten Welten: „Zu Hause, das war die Türkei, und draußen, das war Deutschland.“
Die Jungs in den Schulen fühlten sich nicht als Deutsche, aber auch nicht als Türken, so Akyün. „Die bekennen sich militant zur Türkei. Dabei würden sie mit ihrem Macho-Benehmen in der Türkei ausgelacht werden. Mein Vater in Anatolien würde über sie genauso den Kopf schütteln wie jeder deutsche Großvater.“
An einer Schule in Neukölln wurde sie gefragt: „Ey, was bist du denn jetzt? Türkin oder Deutsche, oder was?“ Hatice hat geantwortet: „Beides.“ Und wurde ausgelacht. Aber Hatice hat gesagt: „Und ihr? Was ist denn die Türkei für euch? Ein Urlaubsland? Das ist doch nicht eure Heimat, die kennt ihr doch gar nicht.“ Da war es still in der Klasse.
„Ich glaube, dass es wichtig ist, dass Kinder selbstbewusst damit umgehen, dass sie zwischen zwei Kulturen leben“, so Hatice Akyün, „dass sie trennen können und in beiden Welten zu Hause sind. Aber das kann man nur, wenn man sich zu beiden Kulturen bekennt“, sagt die Autorin. Und sie tut das.