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Autor Thema: Ferien und Freizeit in der DDR  (Gelesen 3550 mal)

3 Antworten am Ferien und Freizeit in der DDR
am: 16. April 2009, 08:18:20

Edgar

  • Gast
In der ehemaligen DDR wurden selbst Urlaubszeit und Ferienziel vom Staat kontrolliert. Nichtstun war verpönt, Reisen sollte auch eine erzieherische Funktion haben. Eine Ausstellung in Eisenhüttenstadt dokumentiert nun die tatsächliche Freizeitgestaltung der Menschen.

Nach der Arbeit ging es in den Urlaub - vorausgesetzt, man hatte einen "Ferienplatz". Mit dem "FDGB-Ferienscheck" in der Hand war der Sommerurlaub gesichert, etwa zwei Wochen Vollpension für 100 Mark in einem Ferienheim des FDGB-Gewerkschaftsbundes auf Usedom oder auf Rügen. Urlaub in der DDR wurde staatlich vermittelt: Im Februar 1953 hatte die Regierung die Hoteliers der Mecklenburgischen Ostseeküste für diesen Zweck enteignet.

Der Ferienscheck ist nur eins der rund 800 Ausstellungsobjekte, die im Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt in der Ausstellung "Sich ausruhen: Freizeit und Urlaub in der DDR" zu sehen sind. Anhand von Originaldokumenten wird hier auf knapp 250 Quadratmetern gezeigt, wie der sozialistische Staat versuchte, sich in die Freizeitgestaltung seiner Bürger einzumischen und wie er daran schließlich scheiterte.

So belegen etwa Bilder und Berichte, wie Mitte der 1960er Jahre die Fünf-Tage-Woche eingeführt wurde und die freie Zeit dadurch zunahm. Wie diese aber von den Notwendigkeiten des Alltags wieder "aufgefressen" wurde, etwa weil man in der Schlange stehen oder eingeforderten "gesellschaftlichen Tätigkeiten" nachkommen musste. Wie man die Feierabende verbrachte, die Wochenenden und den Jahresurlaub - und sich dabei Freiräume schuf. Dabei wird der Gegensatz zwischen staatlichen Ansprüchen und privatem Verhalten schnell offensichtlich. "Nichtstun als Erholung wurde nicht gerne gesehen", erklärt Andreas Ludwig, Leiter des Dokumentationszentrums, "das Reisen hatte auch eine erzieherische Funktion, man sollte sich im Kollektiv erholen, nach politischen Vorgaben und seine Freizeit sinnvoll nutzen."

Doch wie die Ausstellung zeigt, verbrachte der Werktätige seine freie Zeit gern ganz ungezwungen und ohne großen sozialistischen Anspruch. Ganze Wochenenden wurden beispielsweise damit verbracht, an Schwalbe-Mopeds zu basteln oder - ebenso unpolitisch - sich einfach im Kleingarten auszuruhen. Zahlreiche Privatfotos, Zelte oder Rucksäcke sind Zeugnisse dieser privaten Seite von Freizeit und Urlaub in der DDR - dem individuellen Campingurlaub etwa oder der Reise per Anhalter quer durch das Land. Damit wollte man sich staatlichen Zugriffen entziehen. "Das waren klare Entscheidungen gegen den reglementierten Urlaub im FDGB-Heim", sagt Ludwig. Auf den Zeltplätzen wollten die Leute entspannen und sich nicht in ein sozialistisches Rahmenprogramm einfügen.

Es dauerte bis in die 1980er Jahre, bis die DDR-Regierung offiziell anerkannte, was sich im Alltag schon längst durchgesetzt hatte: dass Freizeit dem privaten Entspannen dient. Doch dieses Zugeständnis konnte nicht über eine andere große Einschränkung hinwegtäuschen: In der Ausstellung versinnbildlichen Buchumschläge exotischer Reiseliteratur die Sehnsucht nach fernen Zielen, zu denen man sich nur hinträumen konnte, weil Auslandsreisen nur in einige sozialistische Länder erlaubt waren. "Die Reisefreiheit war eine der ganz zentralen Forderungen, die zum Mauerfall beigetragen haben", sagt Ludwig. Und dies wiederum ist Thema vieler anderer Ausstellungen in diesem Jahr.

Quelle: ksta.de


Wir haben ja auch etliche "Ossis" im Forum. Wie sah Euer Urlaub vor der Wende aus?

Antwort #1
am: 16. April 2009, 09:55:06

anni1105

  • Gast
naja da ich zur grenzöffnung erst 9 jahre alt war kann ich nur folgendes dazu sagen, ich war als kind jede sommerferien in einem ferienlager an der ostsee, gesponsert von dem lazarett wo meine mutter arbeitete. jeden morgen fahnenapell....und läusekontrolle
ich dachte die ddr und die sowjetunion wären das einzige land auf der ganzen welt, lustig oder?!
meine mutter war einmal in der tschechei als jugendliche zum zelten. sonst waren wir immer in unserem garten, wirklich jeden tag bei schönwetter. mit planschbecken etc, man kannte es ja auch nicht anders.
als wir dann zur grenzöffnung verzogen sind, habe ich erstmal einen kulturschock erlitten, was es alles so gibt auf der welt. :)
heute möchte ich das reisen nicht mehr missen.

Antwort #2
am: 16. April 2009, 10:42:44

DeJe

  • Gast
Wie in allen heutigen Schilderungen ist auch in dem von Edgar zitierten Beitrag viel wahres dran aber vieles auch übertrieben und verdreht. Klar wurden in den FDGB-Ferienheimen auch politisch angehauchte Veranstaltungen durchgeführt, die Teilnahme war aber absolut freiwillig. Von kollektiver Erziehung habe ich jedenfalls nie etwas bemerkt.
Dass viele im Urlaub auf Campingplätze und Individualurlaub ausgewichen sind, hat auch nichts damit zu tun, dass man dem"organisierten Urlaub" ausweichen wollte, sondern eher damit, dass die ferienplätze, die übrigens über die Gewerkschaft und nicht vom Staat vergeben wurden, einfach nicht für alle ausreichten. Logisch, Auslandsurlaub war kaum möglich, die Ferien waren für alle zur selben Zeit und die Preise für den Urlaub waren so gering, dass sich fast jeder jedes Jahr einen Urlaub leisten konnte. "Wichtige" Industriebetriebe, wie z.B. energieerzeugende Industrie (wo ich tätig war) wurde mit Ferienplätzen viel besser bedacht, als "weniger wichtige Zweige" wie z.B. Gesundheitswesen (meine Frau)  Mit ein bisschen Glück und "Beziehungen" habe ich so alle 2-3 Jahre einen Ferienplatz bekommen, meine Frau kaum alle 7-8 jahre. Die Lücken mußten dann durch Privatinitiative gefüllt werden, oder man blieb eben zu Hause im garten. Wochenendgrundstücke waren aus dem Grund auch sehr gefragt und schwer zu bekommen. Auch hier machte wie so oft in der DDR aber die Not erfinderisch, da wurde eben mal der Wohnwagen der Arbeitskollegin für den Urlaub genutzt oder die Wohnung von Bekannten in Schwerin, die zu der Zeit selbst im urlaub waren. Ich könnte mich nicht erinnern, dass wir mal nicht im Urlaub waren, irgendwas hat immer geklappt.
Für die Kinder gab es dann noch die Ferienlager, wie sie anni1105 ja schon erwähnte, klar gab es da jeden Morgen Appell, als Pflichtübung, aber für 12 Mark wussten die Eltern ihre Kinder in guten Händen und beschäftigt, es wurden da auch jede Menge völlig unpolitische Freizeitbeschäftigung durchgeführt. Für mich und meine Kinder waren das jedenfalls immer tolle Erlebnisse. Und ich sage mal ketzerisch, diese Kinder haben nicht vollgekifft auf der Straße rumgelungert und später ihre Lehrer und Mitschüler abgeknallt.
Ich will bestimmt nicht die DDR beschönigen, bin selbst wahrscheinlich mit etwas Glück haarscharf an böse Kontakte mit der Stasi vorbeigeschrammt. Aber es war bestimmt nicht alles schlecht, wie es heute gern dargestellt wird. Klar war das Leben sehr politisiert, aber vieles wurde selbst von den Funktionären als Pflichtübung abgehandelt und dann ging es zum "gemütlichen Teil" über. Aus heutiger Sicht, sehe ich die freiheitlichen Einschränkungen, wie z.B. die fehlende Reisefreiheit und vor allem die fehlende unternehmerische Freiheit auch als größten Mangel an und habe begriffen, dass man mir so einen erheblichen Teil meines Lebens geklaut hat. Aber da man nichts anderes kannte, hat man es damals nicht so empfunden.

Antwort #3
am: 16. April 2009, 12:27:51

Offline Thommy

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Zitat
Auslandsurlaub war kaum möglich,
Hi Deje,
der Auslandsurlaub war ja eh nur auf die soz. Staaten beschränkt, kann mich noch gut erinnern wo meine Eltern und ich mit dem Trabbi und Quek Junior bei den Tschechen gecampt haben, war auch schön, man kannte ja nichts anderes. >:(
Wären auch gerne mal in die nicht soz. Staaten gereist, aber da waren ja wieder die Genossen :kotz: :kotz:

LG Thommy ^-^
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