Natürlich ist ein Blitzschlag zum gegenwärtigen Zeitpunkt rein spekulativ, dennoch dachte ich bisher immer, ein Gewitter stelle keine Gefahr für ein Flugzeug dar. Man lernt nie aus. :(
Jedes US-Verkehrsflugzeug wird im Durchschnitt häufiger als einmal im Jahr von einem Blitz getroffen, schrieb Edward Rupke 2001 in der Zeitschrift "Scientific American". Europäische Analysen haben diese Zahl übernommen. (...)
Leitblitz als "Kundschafter"
Wenn ein Flugzeug vom Blitz getroffen wird, "kommt zuerst ein so genannter Leitblitz, wie ein Kundschafter", sagt Professor Harald Schwarz, Experte für Hochspannungstechnik an der Technischen Universität Cottbus. "Der Kundschafter sieht, dass er mit dem leitenden Flugzeug 30, 40 Meter auf dem Weg zu seinem Ziel überbrücken kann - und schlägt in der Nase, in der Tragflächenspitze oder im Heck ein." Quer durch die Maschine suche sich der Leitblitz seinen Weg. Wenn die Verbindung hergestellt sei, komme der Hauptblitz.
"Dann fließt ein sehr hoher Strom irgendwo über das Flugzeug", sagt Schwarz. Das geht an vielen Maschinen nicht spurlos vorüber. "Denn das Flugzeug ist kein vollständiger Faradayscher Käfig, in dem man sicher wäre", warnt Schwarz. "Es gibt Fenster, Türdichtungen, der Käfig ist nicht komplett." Es sei nicht zu verhindern, dass der Blitz auch über die Verkabelung fließe und von dort aus in die Elektronik des Flugzeugs, die durch den starken Strom zerstört werden könne.
An dieser Stelle fangen allerdings auch die Forscher an zu rätseln. Wenn ein wichtiges Element der Elektronik zerstört wird, das nicht doppelt angelegt ist, kann das zum Absturz des Flugzeugs führen. Wo und wann aber bei einem Blitzeinschlag etwas kaputtgehe, "können wir nicht einmal im Modell richtig untersuchen", so Schwarz. Hinter der Vergleichbarkeit von Modell und echtem Flugzeug stünden jedes Mal "drei Fragezeichen".
Natürlich versuchen Flugzeughersteller, ihre Maschinen gegen Blitzschlag zu schützen. Moderne Flugzeuge sind nicht mehr aus leitendem Aluminium gebaut, sondern aus leichten Kohlefaser-Werkstoffen, in die dann spezielle Fasern zur Blitzableitung eingebaut sind, erläuterte Rupke im "Scientific American".
Ein sensibles Teil eines Verkehrsflugzeug ist seine Nase: Im sogenannten Radome ist die Radaranlage eingebaut. Auch hier sind kupferne Blitzableiter eingebaut, weil das Radar nicht fest verkapselt werden kann, ohne blind zu werden.
Immer wieder schwere Unglücke
Bei vielen Blitzeinschlägen flackert dank der Sicherheitstechnik nur kurz das Kabinenlicht. Es gibt allerdings auch immer wieder schwere Unglücke. Am 8. Dezember 1963 explodierten drei Treibstofftanks einer Boeing 707 über Elkton im US-Bundesstaat Maryland. 99 Zeugen gaben später an, einen Blitzeinschlag am Flugzeug beobachtet zu haben. Bei dem Absturz kamen 73 Passagiere und acht Crewmitglieder ums Leben. Es war der letzte durch einen Blitz ausgelöste Absturz dieser Größenklasse in den USA.
Nach einem Flugzeugabsturz im Oktober 2005 in Nigeria, der 117 Menschenleben forderte, vermutete die Zivilluftfahrtbehörde einen Blitzeinschlag als Ursache. Im August 1994 riss an einer Boeing 737 der Air Algerie auf der Strecke Algier-Toulouse durch einen Blitz eine Cockpit-Scheibe - die Maschine musste nach Marseille umgeleitet werden. Im Juni 2000 kamen nahe der chinesischen Stadt Wuhan 42 Menschen ums Leben, als eine Passagiermaschine nach einem Blitzeinschlag abstürzte.
Quelle: spiegel.de