Berlin/Hamburg (RPO). Angesichts der rasanten Ausbreitung der Schweingrippe raten Ärzte Urlaubern je nach Reiseziel zu vorsorglichen Impfungen etwa gegen Hepatitis A oder Masern. Denn eine gleichzeitige Ansteckung mit H1N1 und einer anderen Infektionskrankheit erhöht drastisch das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf.
"Die meisten Menschen, die bislang an der neuen Grippe gestorben sind, waren durch Vorerkrankungen körperlich geschwächt", berichtete Thomas Löscher vom Tropeninstitut in München am Montag. In Großbritannien etwa breite sich die Schweinegrippe sehr schnell aus, zugleich gebe es im Nordwesten des Landes gehäuft Masern-Fälle. Urlauber mit diesem Reiseziel sollten daher gegen Masern geimpft werden, sofern sie nicht früher bereits daran erkrankt waren oder aber geimpft wurden.
Im Mittelmeerraum, in Osteuropa und Nordafrika bestehe ein erhöhtes Infektionsrisiko für eine Hepatitis-A-Infektion, beispielsweise durch verunreinigte Lebensmittel wie Muscheln und Schalentiere, sagte der Professor. Auch hier sollten sich Reisende vor ihrem Urlaub gegen eine mögliche Infektion schützen.
Eine Hepatitis-A-Erkrankung ist eine ernstzunehmende Krankheit, verläuft aber in der Regel gutartig und heilt vollständig aus. Insbesondere junge Hepatitis-A-Kranke bemerken häufig kaum etwas von den Viren, die ihren Körper befallen haben. Da die Betroffenen aber bis zu zwei Wochen vor und nach dem Ausbruch der Erkrankung ansteckend sind, können sie den Virus unbewusst auf viele weitere Menschen übertragen.
Die Zahl der an das Robert-Koch-Institut (RKI) gemeldeten Fälle in Deutschland betrug 2007 immerhin mehr als 900 Erkrankungen, wobei Experten zusätzlich von einer großen Zahl nicht gemeldeter Fälle ausgehen.
In etwa einem Drittel aller gemeldeten Fälle hatten sich die Betroffenen im Ausland angesteckt, am häufigsten in der Türkei.Die Übertragung der Viren erfolgt durch engen Kontakt von Mensch zu Mensch, aber auch durch verunreinigtes Trinkwasser und Lebensmittel. Da erkrankte Menschen die Hepatitis-A-Viren (HAV) über den Darm ausscheiden, können diese mit dem Abwasser in offene Gewässer gelangen und sich in den dort lebenden Meerestieren, insbesondere Muscheln, anreichern.
So zeigten Untersuchungen vor einigen Jahren, dass damals fast 40 Prozent der Muscheln aus dem Mittelmeer, speziell aus den Einzugsgebieten großer Städte, mit HA-Viren verunreinigt waren. Verschiedene Meldungen aus Spanien über Hepatitis-A-Ausbrüche durch rohe, selten auch durch nicht ausreichend gekochte Muscheln bestätigen dies. In Deutschland gab es dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) zufolge in den vergangenen Jahren jedoch keine solchen Ausbrüche.
In Ländern mit niedrigerem hygienischen Standard ist grundsätzlich mehr Vorsicht bei der Lebensmittelwahl geboten. Die meisten Reisenden kennen die Warnungen vor nicht ausreichend erhitzten Speisen, Salat, Obst, Trinkwasser und Eiswürfeln. Sie gelten auch für Muscheln, da diese das Meerwasser ständig filtrieren und deshalb besonders viele Viren in ihrem Inneren ansammeln können. Das hat den Meerestieren einen negativen Ruf beschert - unter anderem eben auch als Gelbsuchtüberträger.
Für Schlagzeilen sorgten in den vergangenen Jahren Untersuchungen, denen zufolge selbst das Erhitzen kein sicherer Schutz gegen HA-Viren ist. Nach sechs Minuten Kochen konnten italienische Wissenschaftler immer noch eine gewisse Virusaktivität in infizierten Muscheln nachweisen. Da die Temperatur im Muschelkörper dabei nur etwa 76 Grad Celsius betrug, empfiehlt das BfR, die Meerestiere länger zu kochen, damit sie innen für mindestens zwei Minuten mehr als 85 Grad warm werden. Wer in einem Restaurant Muscheln bestellt, kann das natürlich nur schwer überprüfen. Deshalb bleibt auch bei gekochten Muscheln ein gewisses Restrisiko. "Als Restaurantgast haben Sie keine hundertprozentige Sicherheit. Das gilt für Muscheln genauso wie für Salat", bestätigt der Virologe Reimar Johne vom BfR.
Das RKI empfiehlt allen Urlaubern eine Impfung, die in ein Land mit hoher Verbreitung der Viren reisen. Dazu zählen tropische und subtropische Regionen und solche mit niedrigem Hygienestandard. "Generell gilt die Impfempfehlung für alle Länder östlich der Oder und südlich der Alpen", erklärt Reisemediziner Helmut Jäger vom Bernhard-Nocht-Institut in Hamburg. "In der Türkei oder in Ägypten kommt es aber häufiger zu Ansteckungen als beispielsweise in Italien."
Sofern die Hepatitis-A-Impfung nicht aus beruflichen Gründen erfolgt, müssen die Patienten sie in den meisten Bundesländern selbst bezahlen. Eine Einzelimpfung gegen Hepatitis A findet in zwei Schritten statt: Die Grundimpfung sollte mindestens zwei Wochen vor der Abreise verabreicht werden, die zweite Dosis folgt dann sechs bis zwölf Monate später und ist wichtig, um einen Langzeitschutz von mindestens zehn Jahren zu erreichen.
Wer sich mit Hepatitis A angesteckt hat, kann dies an Fieber, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit, Übelkeit sowie Oberbauchschmerzen erkennen. Auf diese ersten Krankheitszeichen folgen eine Dunkelfärbung des Urins, eine Hellfärbung des Stuhls und anschließend die typische Gelbsucht, bei der sich Haut und Augen verfärben. Nach wenigen Tagen bis mehreren Wochen klingen die Beschwerden in der Regel ab.
