Ihr Flug kam 25 Stunden zu spät in Frankfurt an, jetzt erhalten die Passagiere eine Entschädigung: Der Bundesgerichtshof hat bestätigt, dass Fluggästen bei Verspätungen bis zu 600 Euro zustehen.Karlsruhe - Der Bundesgerichtshof (BGH) hat erstmals eine Fluggesellschaft rechtskräftig zur Entschädigung ihrer Passagiere wegen einer längeren Verspätung verurteilt. Nach dem am Freitag bekannt gewordenen Urteil muss die Charterfluggesellschaft Condor klagenden Reisenden eine Entschädigung von 600 Euro pro Person zahlen, weil ihr Flug von Kanada nach Frankfurt am Main mit 25-stündiger Verspätung ankam. Der BGH verwies zur Begründung auf ein Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und wies die Forderung von Condor zurück, den Fall erneut dem EuGH vor zulegen.
Laut Urteil bestehen "keine Zweifel" an der Gültigkeit der EU-Fluggastrechteverordnung, die Entschädigungen nicht nur bei ausgefallenen, sondern auch bei verspäteten Flügen vorsieht. Der EuGH habe dies entschieden und dabei seine Auslegungskompetenz im Gegensatz zur Ansicht von Condor nicht überschritten. Eine erneute Vorlage beim EuGH sei deshalb nicht nötig.
Nach der Grundsatzentscheidung des Luxemburger Gerichts vom vergangenen November haben Reisende ab einer dreistündigen Flugverspätung in den meisten Fällen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung. Schadensersatz gibt es außerdem, wenn ein Flug annulliert wird oder überbucht ist.
Ob die Lufthansa beim Streik nächste Woche Entschädigungen zahlen muss, ist indes umstritten. "Annullierungen aufgrund von Streiks beruhen auf außergewöhnlichen Umständen im Sinne der EU-Verordnung", sagte ein Airline-Sprecher am Freitag. "Lufthansa ist deshalb von der Pflicht zur Erbringung von Ausgleichszahlungen befreit." Die Verbraucherzentrale Niedersachsen schätzte die Rechtslage genauso ein.
Reiserechtler Kay Rodegra hielt dagegen, der Lufthansa-Streik sei kein Fall höherer Gewalt, weil er schon Tage vorher bekanntgeworden sei. Die Lufthansa müsse zunächst alles unternehmen, um Unannehmlichkeiten für Passagiere zu vermeiden. Wenn es trotzdem zu Flugausfällen und Verspätungen komme, sollten Fluggäste Entschädigungsansprüche geltend machen und abwarten, wie die Airline reagiere.
Unter Juristen sei die Frage umstritten, sagte Rodegra. Bisher sei noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob ein Unternehmen Passagiere entschädigen müsse, wenn es bestreikt werde. "Die Juristen sind hin- und hergerissen." Sicher sei indes, dass andere Airlines, die von dem Lufthansa-Streik betroffen seien - etwa bei stockender Abfertigung - auf höhere Gewalt verweisen könnten.
Aktenzeichen: Xa ZR 95/06
sto/AFP/apn
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