Popstar Tarkan
Vom Gastarbeiter-Kind zum Star
VON SEMIHA ÜNLÜ - zuletzt aktualisiert: 20.04.2011 - 13:44
(RP) Mit seinem Küsschen-Lied "Sikidim" schaffte Tarkan den Durchbruch zum internationalen Popstar. Nun kommt der mit einem World Music Award ausgezeichnete Musiker für ein Konzert nach Düsseldorf. Ein Gespräch mit dem deutsch-türkischen Künstler.
Seine schmatzenden Küsschen gingen um die Welt, und danach kannte plötzlich jeder diesen orientalischen Prinzen mit den betörend grünen Augen, den wilden schwarzen Haaren und dem frechen Hüftschwung. Mit "Sikidim", dem Lied mit dem doppelten Schmatzer als Refrain und ausgezeichnet mit einem World Music Award, machte der 1972 im rheinland-pfälzischen Alzey geborene Tarkan Tevetoglu die türkische Musik weltweit bekannt. Und veränderte das Bild türkischer Männer. Tarkan hat kein Macho-Image, nicht einmal ein muslimisches. Zwölf Jahre sind seit Tarkans Durchbruch vergangen. In der deutschen Wahrnehmung ist es seither still um ihn geworden. Ein Irrtum, den Tarkan im Gespräch mit unserer Zeitung aufklärt. Der "Weltbürger" hat zwischen den Kulturen eine Erfolgsnische gefunden.
Wenn Tarkan am Sonntag im Düsseldorfer ISS-Dome auf der Bühne steht, werden ihm 10 000 Fans zujubeln. Und dass, obwohl seine Konzerte nicht mit Plakaten beworben wurden. Die Nachricht von Tarkan-Auftritten verbreitet sich wie ein Lauffeuer – zumindest in der türkischen Community, die noch immer den Großteil seiner Fangemeinde in Deutschland stellt. Der in der Türkei als "King of Pop" geltende Star erklärt sich das so: "Ich zeige mich nur selten in der Öffentlichkeit, bin kaum in TV-Shows zu sehen und gebe nur selten Interviews." Das mache ihn "ein wenig mysteriös", sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung.
Tarkan, der mit 14 Jahren in die Türkei auswanderte, ist das Symbol einer modernen Türkei, eines Lebens zwischen Ost und West. Seit seinem Durchbruch in der Türkei mit dem Album "Yine Sensiz" (Wieder ohne dich) gilt der 38-Jährige in konservativen Kreisen als enfant terrible. Mit Liedern über zügellosen Sex, in der Sprache von der Straße, einem metrosexuellen Image mit betont gepflegtem Äußerem, gezupften Augenbrauen und manikürten Nägeln und dem ständigen Verdacht, er könne homosexuell sein, eckte er zu Beginn seiner Karriere in der Türkei mächtig an. Und zwang die Menschen, über Tabus des muslimisch-geprägten Landes zu sprechen. Immer wieder stand er deshalb am Pranger der Konservativen. Als er sich nach seinem internationalen Erfolg weigerte, seinen Wehrdienst abzuleisten, kam es zum Eklat: Ausbürgern solle man den Star, hieß es. Schließlich kaufte Tarkan sich dank einer Gesetzesänderung mit 16 000 Dollar aus der nationalen Verpflichtung frei und diente lediglich einen Monat. Immerhin: Seine Ehre war wiederhergestellt. Vorerst.
Überrollt von seinem weltweiten Erfolg, überschüttet von Lob und auch Kritik, verlegte der Künstler, der in der Türkei so bekannt ist wie Madonna, seinen Wohnsitz nach New York. Seit 16 Jahren lebt er dort. Über das Leben zwischen den Kulturen sagt er im RP-Gespräch: "Ich hatte nie ein Identitätsproblem. Ich habe mich immer als Weltbürger gesehen." Und als einer, der Musik für die Welt außerhalb der türkischen Grenzen mache: Mit acht Alben hat er mehr als 15 Millionen Platten verkauft. Er hat es nicht nur in Ländern mit türkischer Gemeinde auf die vorderen Plätze geschafft: Auch in Puerto Rico, dem Heimatland von Sänger Ricky Martin, landete er auf Platz Eins.
Aber für seinen großen Traum, die höchste Auszeichnung im Musikgeschäft, den Grammy, reichte es bisher nicht: Sein eigens in Englisch aufgenommenes Album "Come Closer" floppte 2006. Und in Fatih Akins Dokumentarfilm über türkische Musik, "Crossing The Bridge", spielt Tarkan keine Rolle.
In den vergangenen Jahren erregte Tarkan wieder die Gemüter, als Anti-Staudamm-Aktivist und als Öko-Fan. Dem türkischen Präsidenten Abdullah Gül schickte er einen Brief, um mit seiner Unterschrift gegen das Staudamm-Projekt im ost-anatolischen Ilisu zu protestieren. Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nannte alle Gegner des Projekts "Terroristen", weil sie Arbeitsplätze verhindern würden.
Der Popstar setzt sich auch für Umweltschutz ein: Als Erster fährt er in der Türkei ein Hybrid-Auto. "Das Ding stand eine Ewigkeit im Zoll, weil die Beamten nicht wussten, was sie da vor sich hatten", sagt er. Und er hofft, dass er damit viele Nachahmer finden wird.
Wenn Tarkan für seine Konzerte in München (21. April), Düsseldorf (24. April), Frankfurt (29. April), Berlin (30. April) in Deutschland ist, freut er sich nicht nur auf seine Fans. Sondern auch auf die Freiheit, ausgehen zu können, ohne dass ständig sein Name gerufen wird.
RP-onlineEin nettes Bürschen war und isser ja immer noch :o: